Geschichte der Bildhauerei in der Region Český Krumlov
Český Krumlov tritt in die Entwicklung der mitteleuropäischen gotischen Plastik an der späten Spitze des Zeitalters des sog. Schönen Stil ein, den besonders die berühmte Krumauer Madonna aus dem Jahre 1393 repräsentiert, die heute im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt wird. Trotzdem, daß bis zu dieser Zeit die meisten plastischen Werke ein Import aus dem Prager Zentrum waren, wurde in dem kulturell entwickelten Milieu des Krumauer Hofes die hiesige Tradition der Schnitzerproduktion gegründet, die im kommenden 15. Jahrhundert reif wurde. Der Bedarf an solchen Kunstwerken wurde auch durch das relativ dicke Netz von Marienwallfahrtsorten gegeben (Vyšší Brod, Zlatá Koruna, Kájov), die auch in den unruhigen Zeiten der Hussitenbewegung unter dem Schutz des treu katholischen Rosenbergischen Dominiums standen. (Wallfahrten und Wallfahrtsorte in der Region Český Krumlov)
Bis in das letzte Viertel des 15. Jahrhunderts klingt hier die Tradition des Schönen Stil, um die lokalen handschriftlichen Züge bereichert, aus. Eine zahlreiche Gruppe von erhaltenen spätgotischen Plastiken stammt wahrscheinlich zum großen Teil gerade aus den Krumauer Kirchen und im Laufe der folgenden Jahrhunderte kamen diese Gegenstände in die ländlichen Kirchen und Kapellen in der Umgebung. Heute befinden sich die meisten Werke in den Sammlungen des Bezirksheimatmuseums in Český Krumlov, weitere sind in der Südböhmischen Aleš-Galerie in Hluboká zu finden, manche von ihnen werden auch in der Nationalgalerie in Prag aufbewahrt. Ganz am Ende des 15. Jahrhunderts kamen Einflüsse der ausgezeichneten Passauer Schnitzerwerkstatt des Meisters des Kefermarkter Altars in die Region, die vor allem von der Madonna auf dem Hauptaltar der Wallfahrtskirche Kájov repräsentiert wird, eines Überrestes des ursprünglichen Hauptaltars, der in den Jahren 1500-1503 von dem aktiven Kájover Pfarrer Pils angeschafft wurde. Neben den Einflüssen aus den Donauländern ist hier auch der Einfluß der Werkstatt des Meisters der "Beweinung aus Žebrák", die in České Budějovice wirkte, bemerkbar (Plastiken des hl. Peter und Paul aus Svéráz, heute im Bezirksheimatmuseum Český Krumlov). In dem plastischen Schaffen überwiegen die mit dem Marienkult verbundenen Werke.
Der Entwicklung der Produktion steinerner Skulpturen mit Ausnahme von dekorativen architektonischen Elementen stand vor allem der Mangel an geeignetem Stein im Wege. Zur Verfügung gab es zu diesen Zwecken in der unmittelbaren Umgebung neben den kleineren Marmorvorkommen von durchschnittlicher Qualität nur der problematisch zu bearbeitende und nicht gerade beständige gelbliche Granit aus den Lokalitäten um Besednice sowie auch von den vereinzelten großen Granitsteinen (Findlingen) aus den Hängen der Berge.
In der Zeit nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) bringen erst die Eggenberger an der Neige des 17. Jahrhunderts eine gewisse Belebung in das bildhauerische Schaffen in Český Krumlov. Im Bereich der Schnitzerei kommen die Einflüsse der oberösterreichischen Meister hierher, die schon früher in den Grenzgebieten auf der Herrschaft des Premonstratenklosters in Schlägel und im Zisterzienserkloster in Vyšší Brod tätig waren - Johann Wörath aus Schlägel (Ausschmückung einiger der Altare der Klosterkirche Jungfrau Mariä Opferung und des Leibes Gottes und des Hauptaltares in der Kirche St. Veit in der Stadt Český Krumlov) und Philip Rambler aus Freistadt (bidhauerische Ausschmückung der Hauptorgel der ehemaligen Kirche des Klosters Zlatá Koruna aus den Jahren 1698-1699). Aus den Jahren 1691 - 1693 stammen die ältesten barocken steinbildhauerischen Krumauer Skulpturen des hl. Johann Evangelista und der Jungfrau Maria unter dem steinernen Kruzifix einer neueren Produktion, die heute auf dem Hof im Areal der ehemaligen Prälatur in Český Krumlov (Horní Nr. 155) untergebracht ist, deren Autor - angeblich aus dem Umkreis von M. Lindenmayer - schon den Ausdruck sowie die Details der Gestalten auch in dem schwer zu bearbeitenden Granitmaterial wirkungsvoll durchzuarbeiten vermochte. Dieses Niveau erreichte bei Weitem nicht der Verfasser der Granitplastiken des Gepeitschten Christus und des Kusses von Judas - vielleicht ein einfacher Krumauer Bildhauer, Josef Pabl - in den Nischen auf der Brücke vor dem Budweiser Tor.
Einen wirklichen Durchbruch des Hochbarocks stellt in der Krumauer Region dann der bedeutende barocke Bildhauer Matěj Václav Jäckel mit seiner bildhauerischen Ausschmückung der Mariensäule dar, die im Jahre 1716 auf dem Krumauer Stadtplatz gebaut wurde. Die eigene Architektur der Säule war ein Werk des hiesigen Steinmetzes J. Plansker. Jäckel schuf hier ein Spitzenwerk in der Plastik der Immaculata sowie auch in den weiteren acht Plastiken der Heiligen: hl. Václav, hl. Veit, hl. Johann Evangelista und hl. Juda Tadeus auf den Sockelkanten und des hl. Rochus, hl. Franz Xaverius, hl. Sebastian und des hl. Kajetan in den Sockelnischen (Brunnen auf dem Stadtplatz in Český Krumlov). Matěj Václav Jäckel beeinflußte im gewissen Maße auch das Schaffen des bedeutendsten Budweiser Bildhauers Josef Dietrich, der in der Krumauer Region ebenfalls tätig war und auf der Brücke vor dem Kloster in Vyšší Brod eine Replik der bekannten Statue der hl. Anna von der Karlsbrücke in Prag gehauen hatte.
Die Expansion des Johann-Nepomuk-Kultes in der Mitte des 18. Jahrhunderts war besonders in den Grenzgebieten der Region bemerkbar. Hier entstanden zu dieser Zeit einige sehr wertvolle Johannessäulen und Statuengruppen (Rožmberk nad Vltavou, Benešov nad Černou, Rožmitál na Šumavě). Die barocke Frömmigkeit, aber auch die neuen künstlerischen Einflüsse, die durch den Krumauer Eggenberger und danach Schwarzenberger Hof vermittelt wurden, trugen zur außerordentlichen Entwicklung der spätbarocken und sowie auch Rokoko-Produktion im Stein, Stuck und auch Holz bei. Aus Österreich importierte man aus dem Steinbruch in der Umgebung von Eggenberg für die bildhauerischen Zwecke den leicht zu bearbeitenden Muschelkalkstein. Český Krumlov wird zum Wirkungsort des wahrscheinlich bedeutendsten hiesigen spätbarocken Bildhauers Jan Antonín Zinner, der ein Schüler von Josef Dietrich war. Aus der Werkstatt von Zinner stammen vier Statuen der Heiligen auf der Mantelbrücke - und zwar der hl. Anton von Padua, hl. Felix von Kantalizien, hl. Johann Nepomuk und hl. Václav. Im Gegensatz zu den Statuen von Dietrich sind diese aus dem Jahre 1747 stammenden Plastiken statischer, sie haben einen länglichen schlanken Körper, nur die Gesichtspartien verraten den Versuch, einen bewegten Ausdruck zu vermitteln. Die Werke überschreiten handwerklich nicht den soliden Durchschnitt.
Einen Umbruch im Schaffen von Zinner stellt jedoch die plastische
Ausschmückung der Kaskadenfontäne
im Schloßgarten dar, ein Gipfelwerk der Bildhauerei des 18.
Jahrhunderts. Die Ausschmückung wurde im Jahre 1749 begonnen und
beendet wurde sie im Jahre 1765 unter Mitbeteiligung des weiteren
Krumauer Bildhauers Josef Griesler. Der Anteil der beiden
bildhauerischen Persönlichkeiten ist nicht genau zu bestimmen,
einem Bericht zufolge, in dem davon gesprochen wird, daß Zinner
einige Arbeiten nach Griesler korrigieren mußte, ist anzunehmen,
daß Griesler besonders die dekorativen Elemente (Vasen u. a.)
schuf. Die Ausarbeitung komplizierter Details tritt hier vor der
dynamischen Verspieltheit einzelner zentraler Statuengruppen in den
Hintergrund, deren Entwurf von Andreas
Altomonte nach dem Vorbild ähnlicher Werke im Ausland kommt.
Gesamtheitlich ist der Kaskadenbrunnen mit der dynamischen und
eingeschlossenen Komposition der Plastiken auf einer kleinen Fläche
wirkungsvoller, als zum Beispiel eine ähnliche Fontäne im Belvedere
in Wien, deren Ausschmückung in einem größeren Flächenvolumen
untergebracht ist.
Anzeichen ähnlicher Tendenzen sehen wir auch auf wesentlich
einfacheren Statuen der Jungfrau Mariä und des hl. Josef auf der
Brücke oberhalb des
Bärengrabens auf dem Schloß in Český Krumlov - besonders bei
der Statue des hl. Josef mit der mutigen Lösung der Plastik des
kleinen Jesuskindes an den Füßen. Es ist offensichtlich, daß der
Verfasser, mit dem Verfasser der Skulpturen des Kaskadenbrunnens
identisch, im Laufe der Arbeiten die Möglichkeit hatte, sich mit
mutigeren Werken seiner Zeit in dem benachbarten Österreich,
sicherlich mittels des Schwarzenbergischen Hofes, bekannt machen
konnte. Zur Gänze sind auch die qualitativ guten Stuckaturarbeiten
des Mathias André auf dem Areal des Schlosses Český Krumlov zu
erwähnen.
Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts kommt es jedoch zum Verfall
der vielversprechenden Entwicklung in dem Krumauer bildhauerischen
Schaffen. Matěj Grisler, dessen Schaffen allerdings nicht mehr das
Niveau von Zinner erreicht, stirbt im Jahre 1773 und nach ihm wirkt
in Český Krumlov in diesem Bereich dann keine ausgeprägtere
Persönlichkeit. Für anspruchsvollere Aufträge werden Meister und
Künstler aus den benachbarten Gebieten gewählt und in der Krumauer
Region bleibt nur noch die Tradition des Handwerks der Steinmetze
lebendig.
(vhon)
Weitere Informationen:
Geschichte
der Bildhauerei in der Stadt Český Krumlov
Schlosslapidarium
in Český Krumlov