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Geschichte der industriellen Produktion in der Stadt Český Krumlov

Die Stadt Český Krumlov gehörte weder in der Vergangenheit noch heute zu den Industriezentren. Dank diesem Umstand behielt die Stadt ihren ursprünglichen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Charakter mit minimalen Baueingriffen der Industrieära des 19. und 20. Jahrhunderts. Das einzige Störelement war die Abtragung der ursprünglichen mittelalterlichen Stadtbefestigung sowie der Stadttore, die mit der Entwicklung des Verkehrs in der Stadt zusammenhing. Auf dem Territorium der Stadt wurden nur sehr bescheidene Unternehmen mit einem unkomplizierten Produktionsprogramm erbaut, die meistens von den hiesigen Bedingungen oder der Tradition sowie auch von den hiesigen Rohstoffvorkommen ausgegangen sind.

Am Ende des 19. Jahrhunderts bestanden nur einige kleinere Firmen - die Möbeltischlerei von Václav Schinko (34 Arbeitnehmer), 2 Fabriken zum Vergolden von Bilderrahmen von K. Schönbauer und František Knechtel (98 und 45 Arbeitnehmer) sowie auch drei Industriebetriebe - das Papierwerk von Ignác Spiro (182 Arbeitnehmer), Graphitbergwerke der Gebrüder Porák (137 Arbeitnehmer) und eine Flachs- und Hanfspinnerei in Nové Spolí bei Český Krumlov (196 Arbeitnehmer). Unweit von Český Krumlov in Větřní erbaute Ignác Spiro ein modernes Papier- und Zellulosewerk mit 460 Arbeitnehmern. (Geschichte der Papierfabrik in Větřní).

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Zu den Handwerken, die in Český Krumlov eine ständige Tradition hatten, gehörten die Tuchmacher. An diese Tradition schloß sich die Familie Jungbauer mit einem Unternehmen für industrielle Tucherzeugung an. Die Anfänge dieses Zweiges sind im Krumauer Gebiet in Zlatá Koruna (Goldenkron) zu suchen, wo die Jungbauers eine Fabrik für Tuchproduktion gegründet haben, die an die dortige Tradition der Baumwollspinnerei von Antonín Bernard Joss anschloß. Im Jahre 1833 gründete Čeněk Jungbauer eine eigene Tucherzeugungsfabrik direkt in Český Krumlov, und zwar in der Nové Město (Neustadt). Die Fabrikanlage wurde von einigen Gebäuden, Ställen, einer Scheune, von Schuppen, Speichern, Lagern sowie von einem ausgedehnten wirtschaftlichen Hinterland gebildet. In der Fabrik gab es 17 Maschinen, auf denen über 60 Arbeitnehmer arbeiteten. Die Fabrik beendete ihre Existenz am 15. Juli 1848, als eine katastrophale Wassermenge nach einige Tage andauernden Sommerregenfällen die ganze Fabrik von Jungbauer wegspülte, für deren Erneuerung es kein Kapital mehr gab. Später entstand auf dem Areal der ehemaligen Tuchfabrik eine Aufbereitungsanlage für Graphit der Gebrüder Porák.

Eine zweite kleine Tuchfabrik in Český Krumlov war das Unternehmen von František Wozelka, in einem am Fluß Vltava (Moldau) stehenden Gebäude, unterhalb der Kirche an der Brücke, am Ende der Kájovská-Gasse (Kájovská Nr. 58), die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts gegründet wurde. Wozelka war ein ziemlich gut bekannter Tuchlieferant für die österreichisch-ungarische Armee. Es wird angeführt, daß hier die Stoffe gewoben wurden, aus denen die Uniformen der Grenadierer der Schwarzenbergischen Garde genäht wurden. Als nach dem Ersten Weltkrieg - nach dem Jahre 1938 - diese Absatzmöglichkeiten entfallen sind, wurde die Fabrik geschlossen. In ihren Anfängen zählte die Fabrik 13 Webstühle mit 450 Spindeln. Der Maschinensatz wurde von einem Wasserrad angetrieben, das im Durchmesser 19 Fuß (5,9 m) und in der Breite 6 Fuß (1,8 m) hatte. Es verfügte über die Leistung von 10 Pferdestärken.

Kájovská Nr.  56, Ansicht vom Fluss Vltava (Moldau)

Die vielleicht meistverbreitete Industriepflanze, die in der Umgebung von Český Krumlov angebaut wurde, war Flachs, aus diesem Grund entstand im Jahre 1840 in Nové Spolí bei Český Krumlov eine weitere Textilfabrik - die Flachs- und Hanfspinnerei von Josef Rudolf Schindler. Der Bau der Fabrik wurde im Jahre 1842 beendet und Arbeit fanden hier an die hundert Menschen, für die ein Arbeiterhaus mit einer Betriebskantine errichtet wurde. Bereits im Jahre 1851 beschäftigte das Unternehmen 170 Menschen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Fabrik um eine Hanfspinnerei erweitert und es fanden hier mehr als 400 Menschen eine Arbeitsgelegenheit.

Eine mehr als hundertjährige Tradition hat in der Stadt die Produktion von Bilderrahmen und Leisten, denn es wirkten hier zwei Fabriken zum Vergolden von Bilderrahmen. Als erste entstand hier am Ende des Jahres 1860 die Werkstatt von Schönbauer, die sich vorerst auf die Vergoldungsarbeiten spezialisierte und später ihr Unternehmen um die Produktion der Bilderrahmen erweiterte. Ein selbständiges Objekt mit dieser Orientierung wurde im Jahre 1881 von L. Schönbauer am Stadtrand erbaut. Ein zweiter Betrieb des Inhabers F. Knechtl stand in der Vorstadt Tavírna, er bestand in den Jahren 1878-1893. Die Erzeugnisse dieser Betriebe waren eine sehr begehrte Ware und ein Teil der Produktion war für den Export in viele Länder bestimmt, vor allem für den Nahen Osten. Den Betrieb "U trojice"(Zur Hl. Dreifaltigkeit) übernahm im Jahre 1923 in seinen vollen Besitz der bisherige Gesellschafter der Firma Julius Tchunko, in Besitz seiner Familie blieb die Fabrik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

Eine sehr interessante unternehmerische Aktivität war die Existenz zweier Fotoateliers - von Josef Seidl und Josef Wolf, die nicht nur Porträts auf Bestellung machten, sondern sich vor allem der Produktion von Ansichtskarten, welche die Schönheiten der Stadt, aber auch des ganzen Böhmerwaldes festhielten, widmeten. (Geschichte der Fotografie in der Stadt Český Krumlov).

(mj)

Weitere Informationen:
Geschichte des Bergbaus in der Stadt Český Krumlov
Geschichte des Brauwesens in der Stadt Český Krumlov
Geschichte der industriellen Produktion in der Region Český Krumlov