Die Stadt Český Krumlov in der Literatur

Die Anfänge der literarischen Tradition in Český Krumlov, die in den Zeitraum des 14. Jahrhunderts fallen, sind mit dem Milieu des entwickelten Rosenbergischen Hofes sowie mit den kirchlichen Institutionen, die in der Stadt tätig waren, eng verbunden. Liber depictus, Český Krumlov, 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, eine Apokalyptische Frau Es handelte sich vor allem um das Minoriten- und das Klarissinnenkloster, das im Jahre 1350 gegründet wurde, und weiters um die Kirche St. Veit, an der es seit dem Jahre 1380 eine Kaplan-Bibliothek gab. Das gesamte kulturelle Niveau von Český Krumlov beeinflußte auch die im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts errichtete Schule. Im Zusammenhang mit den wachsenden Ambitionen der Rosenberger, sich dem Prager Königshof gleich zu stellen, kann man auch den Anstieg der Bedeutung der literarischen Kultur in Český Krumlov beobachten. Die Rosenberger waren bedeutende Auftraggeber vieler Handschriften, die entweder direkt für ihren Hof oder für Kirchen und Klöster in der Stadt bestimmt waren. Mit diesem Adelsgeschlecht ist auch die Entstehung des sog. Rosenberger Buches verbunden, das zu den bedeutenden Denkmälern der altböhmischen Rechtsprosa gehört.

In die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert man auch die Entstehung des Bilderkodexes Liber depictus, der heute in der Nationalbibliothek in Wien untergebracht ist. Dieser Kodex, den die Minoriten wahrscheinlich in ihren neuen Konvent mitbrachten, beinhaltet eine Menge Abbildungen, die mit Texten aus der Bibel sowie mit Legenden über die Heiligen begleitet sind. Es handelt sich um die sog. Armenbibel. Der Begriff arm weist in diesem Kodex jedoch nicht auf materiellen Mangel hin, sondern auf die fehlende Bildung. Die künstlerische Gestaltung dieses Werkes beeinflußte auch bedeutend die damalige Wandmalerei.

Liber depictus, Český Krumlov, 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, Salomon, König David und Betsabe

Für das Krumauer Klarissinnenkloster wurde wahrscheinlich auch ein weiteres bedeutendes literarisches Werk bestellt, nämlich das Krumauer Sammelbuch aus der Zeit um das Jahr 1420, heute im Nationalmuseum in Prag. Für seine Auftraggeberin wird Eliška von Kravaře, die Gattin von Heinrich III. von Rosenberg gehalten. Den Inhalt des tschechisch geschriebenen Kodexes bilden theologische, moralische und mystische Texte.

Krumauer Bilderkodex, Anfang des 15. Jahrhunderts, der Teufel schiebt die Sünder dem Höllenrachen zu Krumauer Bilderkodex, Anfang des 15. Jahrhunderts, die Höllenpforte in der Gestalt eines Drachenrachens

In der Hussittenzeit kam es in Český Krumlov nicht zu der gewaltigen Unterbrechung der kulturellen Kontinuität mit der vorhussittischen Zeit, wie es in vielen anderen Städten in Böhmen passierte, denn Ulrich II. von Rosenberg (1403-1462) stand an der Spitze des katholischen Adels. In Český Krumlov suchten in dieser Zeit viele kirchliche Würdenträger, Adelige und Künstler ihre Sicherheit und trugen so zur kulturellen Entwicklung der Stadt bei. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begannen langsam in das Krumauer Milieu die Einflüsse des Humanismus durchzudringen, die dank dem Aufenthalt der Rosenberger sowie einiger Bürger an den Universitäten in Italien vermittelt wurden. Eine besonders bedeutende Persönlichkeit dieser Zeit ist der Rosenberger Kanzler Václav z Rovného, der am Ende des 15. Jahrhunderts einen Kreis von humanistisch orientierten Gebildeten aus den Reihen der Geistlichen und Bürger um sich konzentrierte. Der Kanzler besaß auch eine umfangreiche Bibliothek, die zum Teil bis in die heutigen Tage erhalten geblieben ist und weiters pflegte er auch Schriftverkehr mit dem Humanisten Filip Beroaldo dem Älteren aus Bologna.

Václav Březan, Titelblatt des Lebenslaufes des Wilhelm von Rosenberg, 16. Jahrhundert Die Renaissance erreichte erst mit den letzten Rosenbergern ihren Höhepunkt in Český Krumlov. Wilhelm und Peter Wok von Rosenberg setzten die Errichtung der Schloßbibliothek in Český Krumlov fort, deren Anfänge bereits in der vorhussitischen Zeit zu suchen sind. Peter Wok von Rosenberg erweiterte ihren Fond bis auf 11. 000 Bände, was im damaligen Mitteleuropa ohnegleichen war. Die Bücher wurden jedoch später Bestandteil der Rudolfinischen Sammlungen, mit denen sie während des Dreißijährigen Krieges vom schwedischen Heer gestohlen wurden. Den Katalog der Bibliothek legte der Rosenbergische Archivar und Chronist Václav Březan an, der auch als Autor der berühmten Rosenbergischen Geschichte bekannt ist.

Schlossbibliothek in Český Krumlov, Interieur

Zur kulturellen Entwicklung der Stadt trug auch das Jesuitenkolleg (Horní Nr. 154) bei, das von Wilhelm von Rosenberg im Jahre 1584 gegründet wurde. Im Zusammenhang mit der intensiven Prediger- und pädagogischen Tätigkeit der Jesuiten war auch die Anwesenheit einer gut bestückten und ständig ergänzten Bibliothek verbunden (Geschichte der Jesuitenbibliothek in der Stadt Český Krumlov). In diesem Kolleg weilte in den Jahren 1664-1665 auch der berühmte barocke Schriftsteller und Historiker Bohuslav Balbín. Im 17. Jahrhundert wurde die Prälaturbibliothek immer wieder erweitert, worum sich vor allem der Krumauer Prälat Jiří Bílek z Bílenberku verdient machte, bekannt durch die Forcierung der tschechischen Sprache. Auch der Barock war die Zeit des Ausbaues der umfangreichen Schloßbibliotheken, die neben der Befriedigung der intellektuellen Interessen ihrer Besitzer auch zu repräsentativen Zwecken dienten. Die Eggenberger konzentrierten in ihrer Krumauer Residenz einen zahlreichen Bücherfond, der das hohe Niveau ihrer literarischen Interessen beweist. Es handelte sich um Bücher mit weltlicher und auch kirchlicher Thematik, die vorwiegend in romanischen Sprachen gedruckt waren. Den Ausbau der Bibliothek setzten auch die Schwarzenberger fort, die die Krumauer Herrschaft nach den Eggenbergern im Jahre 1719 geerbt hatten. Übersehen darf man jedoch auch nicht die Bedeutung der bürgerlichen Bibliotheken sowie der für die breiten Bevölkerungsschichten bestimmten Literatur, wie Gebetsbücher, Kantionale sowie verschiedene moralistische oder Unterhaltungsbücher.

Schlossbibliothek in Český Krumlov, Detail des Bücherfonds aus dem 17. Jahrhundert

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts weist Český Krumlov die Züge einer Provinzstadt auf, was mit einer langsamen und unbedeutenden wirtschaftlichen Entwicklung auf diesem Gebiet zusammenhängt sowie auch mit der Orientierung der Schwarzenberger auf ihren Sitz in Hluboká nad Vltavou, das Vorrang vor dem Krumauer Schloß bekam.Weder im 19. noch im 20. Jahrhundert erschien in Český Krumlov eine bedeutendere literarische Persönlichkeit, die die Entwicklung der tschechischen Literatur beeinflußt hätte. Český Krumlov, als eine Stadt mit reicher Geschichte, vielen Denkmälern und der Atmosphäre der ständig lebendigen Geschichte trug zur literarischen Inspiration einiger bekannter Schriftsteller bei, wie zum Beispiel Eliška Krásnohorská, Karel Čapek und František Hrubín, der direkt für die drehbare Zuschauertribüne im Schloßgarten das Märchenspiel "Die Schöne und das Biest" verfaßte. Andere Autoren widmeten sich eher der Geschichte des Rosenbergischen Geschlechtes. Mit diesem Thema befaßten sich in ihren historischen Romanen oder Gedichten Jaroslav Vrchlický, Alois Jirásek, František Kožík, Nina Bonhardová, Josef Mařánek und weitere. Ein spezifisches Genre bilden auch die Sagen und Legenden der Stadt Český Krumlov, die Radovan Krátký, Stanislav Cífka oder Helena Braunová verarbeitet haben. Im Laufe des 19. Jahrhunderts und vor allem nach dem Jahre 1920 erscheinen auch Chroniken, die die bedeutenden Ereignisse in der Stadt festhalten (Chroniken der Stadt Český Krumlov).

František Hrubín beim Besuch in Český Krumlov im Jahre 1972, foto:  Bohuslava Maříková

Einige bedeutende Persönlichkeiten aus dem Bereich der Literatur besuchten Český Krumlov und Eindrücke von diesem Besuch kamen auch in ihrem Werk zum Ausdruck:

"...Krumlov, die schönste Lage. Aussicht auf die Burg, die Stadt und die Landschaft vom Westen nach Osten. Die Vltava, auf dem senkrechten Ufer aufwärts zum Felsen anliegend, Häuschen, Kirchen, zuletzt Felsen jenseits des Flusses. Gegen Mitternacht auf einem festen Felsen eine alte, schöne, erhaltene Burg. Ein neues Gebäude auf der Brücke auf Pfeilern, die Brücke, Statuen. Der alte Teil der Burg, eine Nische, ein Balkon, ein Dächlein im Winkel der Kapelle über einem halbrunden Felsen. Wieder ein Teil der alten Burg, Fenster zwischen ihnen weiße Porträte. Ein alter runder, sehr hoher Turm. Doppelfenster, Laubengang, Uhren auf vier Seiten, dann Statuen. Ein Park vom Westen auf einem Felsen, hinten Berge, links in der Ferne blaue hohe Berge. Die Stadt schimmerte weiß."

Karel Hynek Mácha, Deník, Cesta do Itálie (Tagebuch, Italienreise) - August 1834

"...Krumlov ist seiner Art das Absolute, das zum Schluß mit altneuen Zaubern auch die bezwingt, welche sonst all ihr Interesse nur zum heißen Heute konzentrieren, jede beliebige Rückkehr als eine altliebhaberische Überlebtheit ablehnend. Denn Krumlov ist ewig lebendige Vergangenheit, es ist im wahrsten Sinne des Wortes eine monumentale Überbrückung der Zeitalter, es ist selbst eine riesenhafte Spanne von unbekannten Tiefen der Vergangenheit übers Heute bis zu Nebelwolken der weiten Zukunft."

Jiří Mařánek

"...Ich weiß nicht, wieviele Male sich hier die Vltava schlängelt, bevor du durch die Stadt kommst, dich so geradeaus haltend, wie es nur möglich ist, du überquerst sie etwa fünfmal und jedesmal wunderst du, dass sie so goldbraun ist und dass sie es eilig hat. Wieviele Einwohner Krumlov hat, das weiß ich auch nicht, aber es hat vierunddreißig Gaststätten, drei Kirchen, ein Schloss, aber dafür ein großes, zwei Tore und eine große Menge von Denkmälern, eigentlich die ganze Stadt ist ein einziges historisches Denkmal, was ein bisschen an Siena oder Stirling oder an andere berühmte Orte erinnert. Also gibt es hier alte Giebel, Erker, Dacherker, Laubengänge, Bogen, Umgänge, Zinnen, Sgraffiti, Fresken, Treppen hinauf und hinunter, Ballustraden, Brunnen, Säulen, Ecksteine, Ecken, Balken, Maßhäuser, Unterführungen, historisches Pflaster, zickzackförmige Gassen, Weihnachtskrippen, hohe Dächer, eine gotische Kirche, Minoriten, und überall rote Rosenberger Rosen, wohin du dich wendest, siehst du lauter Malerisches und sAltertümlichkeit und historischen Ruhm, aber in alten Vorstädten, das sind nur noch niedrige Häuschen, mit der Hand kannst du auf das Dach langen, in den Fenstern Geranien und über der Tür eine Aufschrift, hier leben noch alte Handwerke wie im fünfzehnten Jahrhundert.

Über alles "herzogt" hier (nach den Herzogen von Eggenberg) dort oben das Schloss und vor allem der Turm, einer der türmigsten Türme, die ich je gesehen habe, ich würde sagen, dass Türme eine tschechische Spezialität sind, weil es nirgendwo solche seltsame Kuppeln, bauchige Zwiebeldächer, Turmknöpfe, Laternen, angeklebte Türmchen und Galerien und Spitzen gibt wie bei uns, jede alte böhmische Stadt hat ihren sonderbaren Turm, an dem man erkennen kann, dass dies Hradec und das Brno und dieses Budějovice und das Český Krumlov ist.

Karel Čapek, eigenhändige Illustration zum Feuilleton über Český Krumlov Was das Schloss betrifft, es ist ganz bemalt und mit Fresken von innen und auch von außen bezogen, aber das Beste ist das barocke fürstliche Theaterchen, in dem noch alte Dekorationen hängen, es könnte dort im Moment eine italienische Oper aus dem achtzehnten Jahrhundert spuken, aber sie spukt nicht, weil man hier aus Sicherheitsgründen nicht spielen darf. Dann ist dort das Lustschlösschen Bellarie mit solchen komischen Treppen am Busen, und eine Unmenge von anderen Barocksachen, für drei Kronen ist das übergenug..."

Karel Čapek, Obrázky z domova (Bilder von zu Hause)

(zp,mj)