Kapelle auf dem Hügel Kreuzberg in der Stadt Český Krumlov
Beschreibung des Objektes
Die achteckige Kapelle der schmerzensreichen Jungfrau Maria und des
Heiligen Kreuzes, im Jahre 1710 gebaut, ist mit einem achtteiligen
Gewölbe eingewölbt und mit einem mit einer Laterne, einem Knauf und
einem Patriarchenkreuz (doppeltes Kreuz) gekrönten Zeltdach
bedeckt. Der Innenraum, in dem sich heute kein Mobiliar mehr
befindet, ist mit jeweils zwei Fenstern im Erdgeschoß und im
Obergeschoß erhellt. Den Zugang zur Kapelle bilden der Haupteingang
an der Nordseite sowie ein Seiteneingang von der westlichen Seite.
Der achteckige Umgang besitzt ein Kappengewölbe. Die Außenmauer hat
apsidale Aussparungen und Nischen. Den vorgeschobenen südlichen
Hauptflügel mit einem Eingang mit zwei Fensterachsen krönt eine
breite Volutenfront mit einem dreieckigen Aufbau, der an der Spitze
mit einem Kreuz versehen ist. Den nördlichen Eingang in den
Kreuzgang ermöglicht eine zweiarmige Stiege.
Bauhistorische Entwicklung
Die Barockzeit bevorzugte exponierte Stellen zum Bau von
Wallfahrtskirchen und ähnlichen Anlagen. Diese zielstrebige
ästhetische Ergänzung der böhmischen Landschaft und deren
Vergöttlichung, mit dem intensiven Madonnen-Kult verbunden, bringt
oft das "gotische Motiv von Bergen, wo sich Gott besser erkennen
läßt" zum Ausdruck. Das Ergebnis dieses Empfindens ist auch die
Kapelle auf dem Hügel Křížová hora - Kreuzberg (619 m ü. M), die am
südöstlichen Rand von Český Krumlov liegt. Im Jahre 1658 (oder
1650) ließ hier der Jesuitenprediger Michal Koppe das sog.
spanische Holzkreuz mit einem eingesetzten Teil des heiligen
Kreuzes installieren, das die Stadt vor Unwetter und
Naturkatastrophen verschonen sollte. Es handelte sich um das in der
damaligen Zeit beliebte "Wetterkreuz", das in vielen
mitteleuropäischen Ländern entlang der Donau vorkam. Wegen einer
Sanierung des Kreuzes wurde im Jahre 1701 ein Baum gefällt, dessen
Stamm wie durch ein Wunder in drei Teile zerfiel. Diese drei Teile
entsprachen genau den Maßen des sog. spanischen Kreuzes, und
außerdem wurde aus dem Holz noch eine kleine Holzkapelle gebaut.
Eine Krumauer Bürgerin stiftete dabei noch drei
Kreuzwegstationen.
Unter der Stadtbevölkerung wurde inzwischen der Wunsch nach einer größeren gemauerten Kapelle immer stärker. Dazu kam es mit Hilfe des Magistrats, des Fürsten Johann Christian I. von Eggenberg sowie dessen Gemahlin im Jahre 1710, als die Kapelle vom Rektor des Jesuitenkollegs in Český Krumlov (14. 9. 1710) eingeweiht wurde. Den Entwurf der Kapelle schuf der Eggenberger Polier Jan Dominik Spazzi. An der Einrichtung sowie an der Fertigstellung der Kapelle beteiligten sich vor allem Krumauer Künstler und Handwerker. Gleich nachdem die Kapelle eingeweiht wurde, stellte sich jedoch heraus, daß sie zu klein war, und daher beschloß der Fürst noch in demselben Jahr den Bau eines achteckigen Kreuzganges. Als Vorlage sollte der Kreuzgang "in der Loretto-Kapelle in Prag" dienen. Gleichzeitig sollten auch die fehlenden Stationen des Kreuzganges fertiggebaut werden, über deren Bau man noch im Jahre 1717 sprach. Der Kreuzgang wurde erst im Jahre 1726 beendet, da nach dem Tode des Fürsten (14. 12. 1710) der Magistrat die Finanzierung übernahm. Vor dem Haupteingang wurde dann ein Kalvarienberg aus Stein mit drei Kreuzen, vor dem südlichen Eingang zwei Säulen mit den Statuen "Leiden Christi" und "Die Schmerzen Mariens" errichtet. Der Kreuzgang wurde ähnlich wie die Kapelle mit Gemälden, Altären, Statuen und Bildern geschmückt. Es wurde auch eine sehr bescheidene Klausnerwohnstätte eingebaut, die im Jahre 1758 erweitert wurde.
Bereits in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts hat das Areal auf dem Hügel Křížová hora (Kreuzberg) einige Renovierungseingriffe durchgemacht. Die größten Änderungen betrafen jedoch die Stationen des Kreuzweges. Anstelle der alten Stationen mit Figuren wurden in den Jahren 1740 und 1753 - 1755 sechs neue Kapellen gebaut, die František Jakub Prokyš mit Gemälden ausschmückte. Stilistisch gesehen ähneln sie dem Kreuzweg in Římov, obwohl sie viel jünger sind.
Am 24. 8. 1787 wurde die Kapelle aufgelöst und in einer Versteigerung an den Krumauer Bürger Karl Neumüller verkauft, der sie im Jahre 1794 der Öffentlichkeit wieder zugänglich machte. Seine Tochter Kateřina ließ das ganze Gelände im Jahre 1850 kostspielig sanieren, was aber einige negative Eingriffe mit sich brachte (z. B. wurde das Schindeldach gegen ein Blechdach ausgetauscht). Der wirtschaftliche Verfall der Familie verursachte jedoch, daß die Kapelle immer mehr verkam und im Jahre 1918 schien sie völlig zu verfallen. Zum Glück kaufte die Kapelle im Jahre 1928 Theresia zu Schwarzenberg und es war ihr Verdienst, daß es nach einer sorgfältigen Vorbereitung zur vollkommenen Wiederherstellung des Wallfahrtsortes kam. Im Jahre 1933 wurde sie vom Budweiser Bischof eingeweiht. Nachdem die Kapelle in einem guten Zustand den Zweiten Weltkrieg überstanden hatte, wurde sie im Laufe der 50er Jahre ausgeraubt und vernichtet. Der Torso des Mobiliars wurde im Jahre 1962 aus der Kapelle in das Depositum des staatlichen Schlosses Český Krumlov überführt. Die Zerstörung der Kapelle dauerte jedoch an und ihr Zustand verschlechterte sich sehr schnell. Daher wurde aufgrund der Initiative des Bezirksamtes in Český Krumlov an der Wende der Jahre 1990/1991 entschieden, den ganzen Komplex schnell zu retten. Nach der Sanierung, die die authentischen Werte respektierte, konnte sie am 14. September 1991 nach 281 Jahren wieder eingeweiht werden. Die Sanierung wurde definitiv mit der Kollaudierung im Jahre 1992 abgeschlossen.
Bedeutende architektonische Elemente
Das sakrale Areal auf dem Hügel Křížová hora (Kreuzberg) ist
stilmäßig ziemlich retardiert bis rustikal, womit es sich
vollkommen in das hiesige künstlerische Schaffen des 1. Viertels
des 18. Jahrhunderts eingliedert. Der formelle, von Spazzi
verwendete Apparat nutzt die manieristische und frühbarocke
Architektur. Nur einige Details, wie z. B. die Eintrittsportale
sowie deren Supraporten erinnern an die fortgeschrittene
Entstehungszeit. Die Stationen des Kreuzweges verraten dagegen eine
in reichlicher Menge vorhandene Selbständigkeit des Künstlers. Es
klingen darin die Ideen des radikalen Barock aus, die bereits in
einen beruhigten Rokoko-Ausdruck transformiert sind.
Der geistliche Ausmaß der
Kapelle
Wie bei ähnlichen Bauten
in Böhmen, ist auch der Plan der Kapelle auf dem Hügel Křížová hora
(Kreuzberg) auf der typisch barocken Symbolik von Zahlen begründet.
Das zeigt, daß der ursprüngliche Kult des Kreuzes und der Leiden
Christi durch den Marienkult in den Hintergrund gedrängt wurde. Der
innere Durchmesser der Kapelle beträgt ca. 7 m, was die 7 Schmerzen
Mariens symbolisiert: 1) Beschneidung Christi 2) Flucht nach
Ägypten 3) Christus - Kind im Tempel 4) Christus fällt unter dem
Kreuz 5) Aufstellen des Kreuzes mit Christus 6) Kreuzabnahme 7)
Grablegung Christi. Das Oktogon der Kapelle sowie des Kreuzganges
symbolisiert die acht Seligkeiten, die Jesus in der "Bergpredigt"
definierte. Sechs erhaltene Rokoko-Stationen des Kreuzweges weisen
wieder zum Thema der 7 Schmerzen Mariens hin, da die siebente
Station die Kapelle auf dem Gipfel des Hügels Křížová hora
(Kreuzberg) war, deren Hauptaltar zu Ostern durch die Figur von
Christus im Grab ergänzt wurde. Die Bezeichnung Křížová hora
(Kreuzberg), Kalvárijská hora (Kalvarienberg), wurde von dem
lateinischen locus Calvarie, also Golgota (aramäisch Schädel)
abgeleitet. Auf diesem Hügel hinter der Stadtmauer von Jerusalem
wurde den Evangelien zufolge Jesus mit zwei Schächern gekreuzigt.
Die Verwendung der topographischen Analogien aus dem Neuen
Testament war üblich.
Der Einweihung der Kapelle entsprach auch die Wahl der drei Feste, an denen hier nach der Bestimmung des Magistrats Messen gelesen werden sollten. Es war das Fest der Auffindung des hl. Kreuzes (3. Mai), der Kreuzerhebung (14. September) und der Schmerzen Mariens (15. September). Die Listen der zelebrierten Messen in der Kapelle aus den Jahren 1711 - 1717 bestätigen, daß hier an den angeführten oder an den naheliegenden Tagen wirklich festlich gesungene Messen stattfanden. Außer diesen wurden hier aber auch während des Jahres in unregelmäßigen Abständen andere Messen zelebriert (jährlich insgesamt 41 - 24, im Jahre 1717 sogar 64), und zwar am häufigsten im Mai (ein Monat, der Maria geweiht ist), im April, Juni und September, im Winter nur selten. Die Messen wurden hier meistens von den Kaplänen der städtischen Pfarrkirche St. Veit, ab und zu auch von den Minoriten oder Jesuiten, sehr selten von den Zisterziensern und einmal auch von einem Serviten aus Nové Hrady und zwei fremden Pfarrern sowie von einem Mitglied des Petrinerordens gelesen. In den ersten zwei Jahren las die Messe am Tag der Auffindung des hl. Kreuzes der Krumauer Prälat selbst. Die Leute besuchten den Kreuzberg (Křížová hora) aber auch außerhalb der Gottesdienste. Daher sollte der Sakristan während der Fastenzeit sowie am Sonntag vormittag und auch im Sommer die Kapelle öffnen, wenn er sah, daß viele Menschen hinaufsteigen.
Die Kapelle war sicher auch deswegen anziehend, da sich dort zwei "Mirakel" befanden. Es war vor allem das spanische Kreuz, ein im Jahre 1701 aus dem wunderbaren Holz gefertigtes Kruzifix (siehe oben), auf das ein Gemälde auf Blech mit dem gekreuzigten Christus, angeblich aus dem Jahre 1460, befestigt wurde. Der Legende zufolge soll dieses Blechkruzifix durch den Schlag eines Krumauer Kesselschmiedes in ein bei einem jüdischen Händler gekauftes Metallstück entstanden sein. Das zweite "Mirakel" war ein Marienbild, das der Kapelle der Stadtschreiber Jan František Antonín Tschernichen widmete, der sich auch im bedeutenden Maße um die Entstehung und die ideenmäßige Konzeption der Kapelle verdient machte.
Auch diese Kapelle gehörte also zu den viel besuchten Wallfahrtsorten, wo Wunder sowie das Erhören der Bitten erwartet wurden. (Wallfahrten und Wallfahrtsorte in der Region Český Krumlov). Diese Ereignisse sollten sorgfältig von einem Stadtrat festgehalten werden, der die unbezahlte Funktion des Kirchenvaters übernahm und für einen guten Zustand des Kapellengebäudes sowie weiters auch für die Zahlungen sorgte. Diese Wunder sollten dann auf dem Rathaus zur Ehre Gottes unter Eid bezeugt werden. Die Bedeutung des Kreuzberges (Křížová hora) lag weiterhin im Schutz vor Unwetter. Aus dem Jahre 1713 blieb ein Ersuchen der Stadt an den Prälaten erhalten, in dem gebeten wird, die Prozessionen, die um gutes Wetter bitten, in den Minoritenkonvent in Český Krumlov zu führen, nachdem in den vergangenen zwei Tagen Gottesdienste für günstiges Wetter abwechselnd in Kájov, Zlatá Koruna, Černice und Přídolí stattgefunden hatten.
(jh)