Historische Orgeln in der Region Český Krumlov


Nur wenige Gebiete Südböhmens sind so reich an wertvollen historischen Orgeln, wie die Region Český Krumlov. Eine Reihe dieser Instrumente füllt mit ihrem Klang die architektonisch und künstlerisch einmaligen Sakralräumlichkeiten, die zu den Prachtstücken der südböhmischen Spätgotik zählen, auf.

Organum Hydraulicum, Barockorgel von A. Starck in Zlatá Koruna

Die künstlerisch produktive Umgebung des Rosenberger Renaissancehofes ermöglichte hier den Wuchs auch von Persönlichkeiten im Bereich der musikalischen Werkzeugindustrie. In der St. Veits-Kirche in der Stadt Český Krumlov befanden sich schon damals zwei Orgeln. Leider blieb vom Werk des zweifellos bedeutsamsten Krumauer Renaissanceorgelbauers Tomáš Greviš, der um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert tätig war, außer den zahlreichen Archivberichten, nichts erhalten.

Organum Hydraulicum, große Orgel von L. Breinbauer in Vyšší Brod Das älteste erhaltene materielle Gedenkstück an das Orgelbauhandwerk ist ein Torso eines frühbarocken Orgelschrankes mit einigen ursprünglichen Pfeifenreihen aus der Zeit um das Jahr 1640 in der Kirche in Přední Výtoň, die aber seit ihrer Gründung mindestens zweimal umgebaut wurde. Der ursprüngliche Schöpfer dieses Instrumentes, war gemäß der Durchführung des Schrankes, kein anderer, als der bedeutende Passauer Orgelbauer Andreas Putz, dessen Spitzeninstrument bis heute in der Klosterkirche in Schlägel, nicht weit von hier entfernt, auf der österreichischen Grenzseite, erhalten blieb.

Das tatsächlich älteste, im Grunde genommen ganz im ursprünglichen Zustand erhaltene Instrument, ist aber das Instrument der Orgelbauer Nicolaus Christeindl und Bernhard Wollers aus České Budějovice, verborgen hinter dem Hauptaltar der Kirche der Jungfrau Maria und des Fronleichnams Christi des Minoritenklosters in der Stadt Český Krumlov. Das Instrument mit Doppelmanualen und 22 Klangregistern stammt aus den Jahren 1679 - 82, und in der Individualität seiner Klänge noch die letzen Nachklänge des Renaissancezeitalters trägt, auch wenn es durch das Fehlen der für die Renaissance typischen Zungenregister und der dezenten Besetzung der Pedale bereits dem ausgereiften Umkreis der frühbarocken süddeutschen Orgelbaukunst angehört.

Organum Hydraulicum, einmanualige Orgel in der Kirche in Zátoň Ein weiteres, dieses mal bereits ein hochbarockes hervorragendes Instrument blieb auf dem westlichen Klosterkirchenchor in Zlatá Koruna erhalten. Sein Schöpfer war der bedeutende Repräsentant der westböhmischen Orgelbauwerkstatt, Abraham Starck von Loket. Die Doppelmanualorgel mit zwanzig Registern aus den Jahren 1698 - 99 hat für ihre Zeit einen konstruktiv sehr mutig auf zwei Korpuse geplanten Schrank der Hauptmaschine, mit einem gemeinsamen Postament an den Fensterseiten der westlichen Stirnseite. Der Schrank des Positives ist klassisch in der Brüstung des Chores plaziert. Die plastische und bildhauerische Verzierung ist das Werk von Filip Rambler aus Freistadt in Oberösterreich. Dieses Instrument ist im Gegensatz zu der Geräumigkeit des Domes relativ klein, trotzdem verblüfft es mit der Stärke seines Klanges und bringt auch hier den sonst nicht geläufigen Register des Sesquialters mit sich, den wir bei Orgeln in dieser Region und auch nicht einmal in den späteren Epochen der barocken Orgelbaukunst antreffen.

Auch in der Orgelbaukunst vermengten sich in dieser Gegend immer die Einflüsse des naheliegenden Oberösterreichs und der Passauer Werkstätten mit den Inländischen. Ein Beweis dieser Einflüsse ist eine weitere bemerkenswerte Orgel, die sich im Chor, als Chorinstrument, über dem Eingang in die Kirche St. Veit in der Stadt Český Krumlov befindet. Sie wurde im Jahre 1716 von einem bisher unbekannten Baumeister fertiggestellt, der anscheinend vom Umkreis der Orgelbauwerksatt der Egedacher aus Passau stammte - zumindest deuten die architektonischen und bildenden Elemente, die bei der Truhe benutzt wurden, darauf hin. Ursprünglich befand sie sich in der heute bereits aufgelösten Kirche St. Jobst auf Latrán und auf ihren heutigen Platz wurde sie während des Zeitabschnittes der Reformen des Kaisers Josef II., dank der aufklärenden Entscheidung des damaligen Stadtrates, gebracht. Im Gegensatz zu den vorherigen zwei Instrumenten wurde hier die Schrankoberfläche im Einklang mit der hochbarocken Praxis bereits durch eine Marmorierung in mehreren Farbtönen verziert, und die geschnitzte Akanthusverzierung wurde im polierten Weiß behandelt. Es entstand somit ein eindrucksvolles Ganzes, das durch architektonisch überwiegend vertikale, sich in die Seiten verlaufende Linien, die beide Manualmaschinen in einen Schrank aufeinander stellen, bemächtigt ist, was in der südböhmischen Orgelbaukunst zu dieser Zeit ebenfalls eine wenig übliche Erscheinung war. Durch die Klangkonzeption und den Charakter weicher Intonanz spiegelt diese Orgel bestimmte italienische Einflüsse, ersichtlich auch in der österreichischen Orgelbaukunst - z. B. durch das Disponieren mit dem Tremolo-Register von Piffar in der Hauptmaschine.

Boletice, St.-Nikolaus-Kirche, Ansicht des Interieurs, die Orgel, ein historisches Foto, foto:  J.Seidel

..Alle bisher erwähnten Instrumente wurden unlängst pietätsmäßig von den Restauratorspezialisten - Vladimír Šlajch aus Borovany und Dušan Doubek aus Jihlava restauriert oder konserviert.

Wesentlich schlechter ist aber der Zustand eines weiteren kostbaren Instrumentes - der Doppelmanualorgel mit 18 Registern der Wallfahrtskirche Kájov, die sich einige Kilometer westlich von Český Krumlov befindet. Diese Orgel ist heute infolge unverantwortlicher Eingriffe und des Zerfalls einer Reihe von Teilen in einem Havariezustand.

Von der Klangschönheit dieses Instrumentes können wir also vorläufig nicht viel bewundern, einer Besichtigung ist aber wenigstens der monumentale Orgelschrank, verziert mit vergoldeten Schnitzereien, Engelfiguren und Wappen des Abtes vom Kloster Zlatá Koruna, Christian Guschl, der die Orgel anschaffen ließ, wert. Erinnern wir uns nun, daß am Beginn deren Baues der Orgelbauer Christoph Lachenwitzer aus Freistadt stand, den überwiegenden Teil realisierte aber der Orgelbauer Andreas Niederle aus dem westböhmischen Nepomuk, der das Werk im Jahre 1744 beendete. Der Pfeifenfonds beinhaltet einige Register des hiesigen ursprünglichen Instruments aus dem Jahre 1642.

In den Sammlungen des Schlosses Český Krumlov blieb ein kleines tragbares Positiv vom Anfang des 18. Jahrhunderts, aus der Werkstatt des Orgelbauers Caspar Neumann aus Mírovice erhalten. Ähnliche Instrumente gehörten in der Barockzeit zum Bestandteil der Chorinventare und diese wurden vor allem während der Wallfahrten benutzt. Heute sind in der Krumauer Gegend, in verschiedenem Zustand, nur einige erhalten geblieben.

Im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts griff in die Krumauer Gegend die fruchtbare Werkstatt der Pantočeks aus Dačice über, aus deren Schaffen blieb aber in der Region nichts erhalten. Die Gestalt deren wahrscheinlich größten Instruments auf dem Hauptchor der St. Veits-Kirche fängt für uns nur die Archivfotografie vom Anfang des 20. Jahrhunderts ein.

Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts setzte sich hier die Orgelbauerwerkstatt der Semráds aus Sedlec durch. Die Arbeit von Friedrich Ferdinand Semrad repräsentiert am besten das Positiv mit fünf Registern aus dem Jahre 1750 auf dem Chor der St. Georgs Schloßkapelle in Český Krumlov. Dessen Klangkrone gipfelt in einer scharfen Tertialmixtur, typisch auch für seine weiteren Werke. Die Besonderheit des Instruments ist die Möglichkeit der Einbindung sämtlicher Register des Prizinpalchores durch einen auf einen Strich mittels einer scharfsinnigen Verbindung der Registerhebel und die Anwendung in der Region sonst unüblicher gebrochener Oktave mit getrennten Halbtontasten Fis, Gis.

Horní Dvořiště, Kirche, Orgel, foto:  Libor Sváček Im heutigen tschechisch-österreichischen Grenzgebiet setzte sich die Orgelwerkstatt der Richter aus Freistadt durch. Aus deren Werk blieb in einem intakten Zustand die Rokokoorgel mit zwei Manualen und 12 Registern in der St. Ägidius-Kirche in Dolní Dvořiště erhalten. Gegenwärtig wird die Rückkehr und die stylvolle Rekonstruktion einer ähnlichen Orgel in die erneuerte barocke Wallfahrtskirche der Maria Schnee beim Heiligen Stein (Sv. Kámen) vorbereitet.

Im 19. Jahrhundert wirkte in Český Krumlov die Orgelbauerwerkstatt von Franz Jentschke und danach von Franz Jüstel, welche die Tradition des klassischen Orgelbaues bis zum Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts beibehielt. Mit Ausnahme der Orgel in Černice blieben die Instrumente dieser Werkstatt allesamt außerhalb der Region von Český Krumlov erhalten.

Den Zeitabschnitt des sogenannten Orgelbauerromantismus repräsentieren vor allem handwerklich wie auch klanglich hervorragende Instrumente beider Generationen der oberösterreichischen Firma Breinbauer aus Ottensheim. Deren Repräsentativmuster stehen z. B. in der Kirche der St. Maria Magdalena in Chvalšiny (Josef Breinbauer), in der Klosterkirche in Vyšší Brod und in der St. Nikolaus Kirche in Rožmberk nad Vltavou (Leopold Breinbauer). Auch die robuste Orgel mit drei Manualen, einem pneumatischen System mit 47 Klangregister von Heinrich Schiffner, vom Anfang des 20. Jahrhunderts in der St. Veits-Kirche in Český Krumlov, gehört heute auch schon zu den bedeutenden musikalisch historischen Denkmälern ihrer Zeit.

Eine Reihe hier erwähnter Instrumente erklingt in der Sommersaison während der Orgelkonzerte. Eine untraditionelle Form der Bekanntmachung mit der ganzen Reihe der historischer Orgelinstrumente stellt die unformelle Aktion "Organum hydraulicum", mit einem Auftritt des Orgelinterpreten Michal Novenko, die jedes Jahr von der Agentur Versum veranstaltet wird, dar. Deren Teilnehmer fahren mit den Kanus auf dem Fluß, auf der Trasse von Vyšší Brod bis nach Zlatá Koruna, hin, und jeder Tag ihres Weges gipfelt durch ein stylvolles Orgelkonzert in einer der Kirchen an der Vltava. So kommen einige von bisher übergangenen Instrumenten zu ihrem Beleben. Die Organisatoren und Teilnehmer dieser Aktion initiieren die Restaurierung und Rettung von historischen Orgeln und tragen dazu mit eigenen Mitteln bei.

Organum hydraulicum, Organist Michal Novenko beim Auftritt in der Kirche in Zátoň, foto:  Lubor Mrázek

(vhon)

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