Schwarzenberger Schwemmkanal
Die Idee, die Vltava (Moldau) und die Donau, zwei in verschiedene Meere fließende Flüsse zu verbinden, entstand schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts zur Zeit des Kaisers Karl IV. Ein wirtschaftlich so notwendiger Wasserweg würde aus den böhmischen Ländern eine bedeutende Kreuzung, nicht nur auf den Land-, sondern auch auf den Waserwegen, schaffen. Zur Verwirklichung dieser mutigen Idee kam es erst am Ende des 18. Jahrhunderts. Damals herrschte im Inland ein Mangel an Holz und sein Preis stieg immer mehr. In den südböhmischen Grenzgebieten blieben riesige Waldflächen noch ungenutzt, da dort keine Wege führten. Zwecks Holzbeförderung wurde der Schwarzenberger Schwemmkanal erbaut, einer der merkwürdigsten Wasserbauten seiner Zeit. Der neue Wasserweg ermöglichte das Schwemmen des Holzes aus dem Böhmerwald (Šumava) und seine Beförderung zum Absatzplatz in Wien, womit es gelungen ist, den Reichtum der Wälder, aus bis jetzt unzugänglichen Gebieten des Böhmerwaldes (Šumava) wirtschaftlich zu nutzen.
Den Entwurf des Schwemmkanals arbeitete Ingenieur Josef Rosenauer (1735 - 1804), Angestellter der Obrigkeitsverwaltung der Schwarzenbergischen Herrschaft mit Sitz in Český Krumlov, aus. Dieser Baumeister legte im Jahre 1775 einen Bauplan für einen Wasserweg vor, durch den Scheitholz aus den Waldbeständen um Sv. Tomáš, Želnava und Stožec geschwemmt werden konnte. Das geplante Wasserwerk sollte von der Mündung des Baches Zwettelbach
(Světlý potok) in den Fluß Große Mühl und an der österreichischen Stadt Haslach vorbei über die Wälder des österreichischen Klosters Schlägl (Drkolná) auf das tschechische Territorium der Schwarzenberger Herrschaft in die Gebiete von Smrčina und Plechý (Plöckenstein) und zu Jelení vrchy (Hirschbergen) führen. Das Endziel des Projektes von Rosenauer war der Bach Světlá voda (Lichtwasser) unweit der bayrischen Grenze. Rosenauers Entwurf des neuen Wasserweges erweckte Bewunderung, aber auch Entsetzen. Im Jahre 1779 billigte der damalige Besitzer der Herrschaft Johann zu Schwarzenberg den Entwurf, aber mit der Arbeit begann man erst zehn Jahre später, im Jahre 1789. Damals endete dem Passauer Bistum das durch das kaiserliche Patent erteilte Vorrecht auf das Holzschwemmen über den Fluß Mühl, der in die Donau mündet und ein unumgänglicher Bestandteil der Pläne zur Beförderung des Holzes von Šumava nach Wien war. Das Recht des Holzschwemmens wurde neu dem Fürst zu Schwarzenberg erteilt. Folglich wurden den Schwarzenbergern die Grundstücke des Klosters Schlägl vermietet, die zur Errichtung des neuen Wasserweges auf der österreichischen Seite der Grenze notwendig waren.
Der Bau des Schwarzenberger Schwemmkanals ging sehr schnell voran. Innerhalb des ersten Jahres wurde eine 29,3 km lange Strecke erbaut, nämlich vom Zwettelbach bis zum Hefenkriegbach (Bach Rasovka), der an der Gemeinde Hory in die Vltava mündet. Im Jahre 1791 wurde der Kanal bis zum Bach Jezerní potok gebaut, der aus Plešné jezero (Plöckensteinsee) herausfließt, der das Wasserreservoir für den Bedarf des Holzschwemmens wurde. Im Jahre 1793 wurde das Kanalbett bis zum Bach Jelení potok an der Gemeinde Jelení Vrchy verlängert. Damit wurde der ganze erste Teil des Kanals, später "alter Kanal" genannt, in der Gesamtlänge von 39,9 km beendet. Der Bau wurde dann nicht mehr fortgesetzt, da selbst Rosenauer die Befürchtung ausgesprochen hat, ob das Wasser aus den Zuflüssen zu einem zügigen Betrieb genügen würde. Im Jahre 1791 wurde ein kontinuierliches Holzschwemmen über die ganze Länge des Kanals vorgenommen. Freie Scheite wurden durch den Schwarzenberger Kanal, dann über den Fluß Mühl bis nach Neuhausen geschwemmt, wo der Ausschwemmkanal und Schiffshafen errichtet wurden. Vor der Mündung des Flusses Mühl in die Donau wurden die Scheite in einer zangenförmigen Vorrichtung (Rechen) angehalten und in die Schiffe geladen, die sie nach Wien brachten. Mit der Nutzung der niedrigen Transportkosten war es möglich, das Holz aus Šumava auf den Wiener Märkten gut zu Geld zu machen.
Das verarbeitete Holz wurde am Ende des Sommers übernommen, da es bis zum Beginn des Schwemmens gut trocknen mußte. Zum Schwemmen wurden nur hochqualitative, gesunde und gerade Scheite mit einer Länge von zweieinhalb bis drei Fuß ausgesucht. Angefaultes Holz oder Zweige wurden nicht geschwemmt. Die Scheite mußten vorerst von den hohen Hügeln bis zum Kanalufer gebracht werden. Da noch keine festen Verkehrswege gebaut waren, führte man das vorbereitete Scheitholz aus den Hügeln mit Hilfe der Handrodel hinunter. Mit dem Schwemmen begann man erst im Frühjahr, meistens Ende März oder Anfang April, wenn der schmelzende Schnee die Zuflüsse des Kanals mit genügender Menge Wasser füllte.
Das Holz sollte gleichmäßig in den Kanal geworfen werden, damit es
zu keinen Verstopfungen kommt. Die Kapazität des Kanals, der am
Boden 1,5-2 Meter und an der oberen Kante 3,5-4 Meter maß, mußte
genau eingehalten werden. Bei einem guten Betrieb konnten täglich
900-1000 Klafter Holz geschwemmt werden. Aufsicht über einen guten
Verlauf des Schwemmens hielten etwa 200 Menschen entlang des
Kanals, welche die gestauten Scheite sowie auch andere Hindernisse
aus dem Kanalbett beseitigten. Das Schwemmen wurde beendet, wenn
entweder das ganze vorbereitete Holz durch den Kanal geflossen war
oder wenn Wassermangel herrschte. Im letztgenannten Fall mußten
dann die Schwemmarbeiten unterbrochen werden, die erst nach
ausgiebigen Regenfällen fortgesetzt werden durften.
Der Anstieg der Waldnutzung nach der Eröffnung des Schwemmkanals brachte in den oberen Šumava-Revieren auch einen erhöhten Bedarf an Arbeitskräften mit sich. Aus diesem Grund kamen Waldarbeiter hierher, vor allem Holzfäller mit ihren Familien und gründeten hier mit der Bewilligung der Obrigkeit neue Holzarbeitergemeinden. Gerade in dieser Zeit entstanden die Dörfer Huťský Dvůr, Nová Pec, Jelení Vrchy, Stožec, Nové Údolí sowie auch eine ganze Reihe Dörfer mit der typischen Architektur der Berghäuser aus Holz.
Der gute Absatz des Holzes sowie sein immer steigender Verbrauch führten zu der Idee, den Kanal dem ursprünglichen Projekt entsprechend zu beenden und somit weitere Teile der Wälder zur Waldnutzung zugänglich zu machen. Der zweite Teil des Kanals von Jelení potok zu der Bayrischen Grenze unterhalb von Třístoličník, einschließlich des 419 Meter langen Tunnels oberhalb von Jelení wurde in den Jahren 1821 - 1822 gebaut. Den Bau führten nach dem Projekt von Rosenauer der Direktor der Verwaltung der Schwarzenbergischen Herrschaft Ernst Mayer, die Ingenieure Josef Falta und Jan Kraus durch. Die erste Schwemmung durch den "neuen Kanal" verwirklichte sich im Jahre 1824. Die Gesamtlänge des Wasserweges nach der Verbindung beider Kanalteile, erreichte von der Mündung des Flusses Mühl in die Donau bis zum Bach Světlá (Zwettelbach) insgesamt 89,7 km. Der Kanal wurde mit Wasser aus 21 Bächen gespeist. Im Jahre 1835 wurde zwecks Verbesserung des Wasserstandes das Reservoir Jelení jezírko, später Rosenauer-Reservoir sowie das Reservoir Říjiště erbaut. In den Kanal mündeten drei Wasserglitschen, die 1,3 km lange Jelení-Glitsche, 0,9 km lange Jezerní-Glitsche und 1,4 km lange Koňský-Glitsche. Das ganze ausgedehnte Werk wurde von 87 Brücken und kleinen Brücken, 80 Wasserdurchlässen, 78 Wassergräben und 22 Schleusen ergänzt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Nutzung des Brennholzes immer mehr durch die Kohle ersetzt und damit sank auch der Bedarf an der Förderung des Scheitholzes. Gleichzeitig stieg aber die Nachfrage nach langem Stammholz an. Zum Schwemmen von langem Holz war der Schwarzenberger Kanal nicht geeignet, und darum suchte man für die Beförderung eine andere Art und auch neue Absatzmärkte. Ein Teil des Kanals zwischen dem Hefenkriegbach (Rasovka) und dem Bach Lichtwasser (Světlá voda) an der bayrischen Grenze wurde im Jahre 1887 zum Schwemmen ganzer Stämme umgebaut. In dieser 22,3 km langen Strecke wurden die Kurven so umgebaut, daß dadurch Stämme bis zu der Länge von 19,5 Meter geschwemmt werden konnten. Aus dem Schwemmkanal wurde die 3,8 km lange Hefenkrieger Glitsche gebaut, die bei Želnava den Kanal mit dem Fluß Vltava verbunden hat und somit das Holzschwemmen aus den Waldbeständen in der Umgebung des Kanals bis zur Vltava ermöglichte. Zu dieser Zeit entstand in Želnava ein neuer Holzumladeplatz, auf dem sich das Rundholz konzentrierte, das hierher am Wasser von dem oberen Lauf der Vltava und auch aus dem Schwarzenberger Kanal gebracht wurde. In Želnava wurden die Stämme in Flöße gebunden und auf der Moldau nach Prag geschwemmt.
Das Holz aus dem Šumava gewann gute Absatzplätze nicht nur in Prag, sondern auch in Sachsen und in Norddeutschland. Auch das Holzschwemmen durch den Schwarzenberger Schwemmkanal und über den Fluß Große Mühl bis in das österreichische Haslach wurde fortgesetzt. Der Transport des Holzes aus Haslach nach Wien wurde infolge einer niedrigen Nachfrage im Jahre 1891 beendet.
Die Eisenbahnstrecke Želnava - Český Krumlov - České Budějovice, die im Jahre 1892 fertiggebaut wurde, bedeutete eine billige Transportmöglichkeit für das Rundholz zu allen Absatzplätzen. Die Stämme der Riesen aus dem Šumava wurden auf der Vltava und auch über den Schwarzenberger Schwemmkanal und die Hefenkrieger Glitsche zum neuen Eisenbahngüterumladeplatz in Želnava geschwemmt. Dort wurden sie in Eisenbahnwagen verladen und zu den Verbrauchern transportiert. Die Verlängerung der Eisenbahnverbindung aus Volary über Nové Údolí in das bayrische Haidmühle im Jahre 1910 ermöglichte eine billige und einfache Beförderung des Meter- und auch langen Holzes aus den sehr schwierig zugänglichen Teilen der Wälder des Šumava. Die Eisenbahn besiegte endgültig den Wasserweg. Das Holzschwemmen über den Schwarzenberger Schwemmkanal verlor langsam an Bedeutung und im Jahre 1916 wurde an der ganzen Länge des Kanals das letzte Mal geschwemmt.
Nur ein kleiner Teil des Kanalbettes wurde noch im 20. Jahrhundert genutzt. Durch die Želnava-Glitsche wurde das Holz bis in das Jahr 1962 geschwemmt, als der Kanal definitiv aufhörte, seinem Zweck zu dienen. Seit dem Jahre 1963 wird der Schwarzenberger Schwemmkanal auf der Liste der immobilen Kulturdenkmäler technischer Bedeutung geführt. In den Jahren 1999 - 2001 führte die Verwaltung des Nationalparks und des Landschaftsschutzgebietes Šumava eine umfangreiche Rekonstruktion dieses einzigartigen Werkes durch. So wurden der Abschnitt zwischen Jelení Vrchy und der Želnava-Rutsche in einer Länge von fast 11 km und der nicht die ganzen 2 km lange Abschnitt zwischen den Bächen Světlá voda und Stocký potok erneuert. Diese Abschnitte, auf denen Holz geschwemmt werden könnte, ergänzten die schon früher erneuten Abschnitte an der tschechisch-österreichischen Grenze in der Nähe des Grenzbachs Ježová / Iglbach und auf dem abfallenden Abschnitt unter der österreichischen Ortschaft Morau.
(mh)
Weitere Informationen:
Geschichte
des Verkehrs in der Region Český Krumlov
Holzschwemmen
auf dem Schwarzenberger Schwemmkanal
Museum
des Schwarzenberger Schwemmkanals in Chvalšiny