Passionsspiele - Geschichte
Motto:
"Auf den Wegen der langen Karavanen, die in den heißen Sand
einsinken, pilgern wir durch das Land Kanaan, zum Licht, das in der
Ferne brennt ..."
(Gesang der Pilger aus dem Prolog der tschechischen Passionsspiele
in Hořice na Šumavě)
Geschichte der Gemeinde Hořice na Šumavě
Hořice na Šumavě gehört zu den ältesten Siedlungen in der Krumauer
Region. Die ersten schriftlichen Erwähnungen stammen schon aus dem
13. Jahrhundert. Die hiesige Pfarre wird im Jahre 1248 erwähnt. Die
Gemeinde wird dann in den Jahren 1272, 1274 und 1281 im
Zusammenhang mit der Änderung der Besitzer erwähnt. Hořice ging
damals aus den Händen der Herren von Kosova Hora über Záviš von
Falkenštejn in den Besitz von Witiko von Krumlov über.
Eine weitere sehr bedeutende schriftliche Erwähnung über Hořice stammt aus dem Jahre 1290. Der König Václav II. bestätigte damals dem Zisterzienserkloster in Vyšší Brod dessen Kauf. Zur Klosterherrschaft gehörte danach die Gemeinde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Geistliche Traditionen und Volksmysterien
Die geistliche Verwaltung verblieb auch weiterhin in den Händen der
Zisterzienser. Gerade mit ihrem Wirken wird die älteste Tradition
der Volksmysterien - Spiele mit religiöser Thematik verbunden. Es
handelte sich um Spiele mit Motiven aus dem Alten Testament
(Paradiesspiel) und auch aus dem Neuen Testament (Spiel über die
Geburt Christi Christkindlspiel, Hirtenspiel - mit der Parabel über
Den Guten Hirten). Das bedeutendste Thema aus dem Neuen Testament -
das Leben, die Leiden, der Tod und die Auferstehung - war der
Gegenstand der Passionsspiele.
Spiele mit religiöser Thematik und vor allem Passionspiele sind eine sehr alte europäische Erscheinung, die mit dem Leben der katholischen Kirche verbunden ist. Die Wiege der Mysterien waren Spanien und Frankreich, woher sich die Spiele in andere europäische Staaten verbreitet haben. Ursprünglich wurden sie in den Kirchen gespielt, mit der Zeit wurden sie um Volkselemente bereichert und außerhalb der Kirchen vorgeführt.
Ihre Entwicklung wurde von den Kriegsereignissen negativ gekennzeichnet. Im Falle von Hořice waren es zum Beispiel im 15. Jahrhundert die Hussitenkriege.
Einfluß auf das geistliche Leben der Menschen hatte auch der Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert. Im europäischen Kontext ist interessant, daß gerade im Jahre 1634, also zur Zeit des ausgedehnten Kriegskonfliktes, das erste Mal die neuzeitlichen Passionspiele in Oberammergau (Deutschland) erwähnt werden.
Anfang der neuzeitlichen Passionsspiele in Hořice na
Šumavě
Die altertümlichen Volksmysterien wurden im Šumava (Böhmerwald)
nicht nur mit Hořice verbunden. Sie wurden in einer ganzen Reihe
von weiteren Orten in der nahen und auch entfernteren Umgebung
gespielt. Bis in die neueste Zeit erhielten sie sich jedoch nur in
Hořice. Die geistlichen Volksspiele hatten hier tiefe Wurzeln und
bereicherten das Leben der hiesigen Landwirte, Handwerker, Händler
sowie auch anderer Bewohner. Es passierte nach den Napoleonischen
Kriegen, im Jahre 1816, als der Hořicer Weber Paul
Gröllhesel mit Hilfe des Pfarrers den neuen Text der
Passionsgeschichte niederschrieb und sie mit 15 weiteren Hořicer
Bürgern einübte und spielte. Das Spiel hieß "Leiden und Tod unseres
Herrn Jesus Christus - Trauerspiel in fünf Akten mit Vorspiel".
Die Spieler führten es vor den Osterfesttagen auf; mit bestimmten Pausen und auch mit einer ganzen Reihe Änderungen bis zum Jahre 1887. Es wurde auch außerhalb der Kirche, in Gasthausräumen, viele Jahre ohne Kostüme und nur mit den notwendigen Requisiten gespielt. In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts führte der hiesige Laienverein die Passionsvorstellungen auf und die Schauspieler trugen schon Kostüme.
Große Passionsvorstellungen 1893 - 1936
In dieser Zeit kam ein begeisterter Ethnograph nach Hořice, Professor des deutschen Gymnasiums in Český Krumlov Josef Johann Ammann. Es gelang ihm, den ursprünglichen Text von Gröllhesl zu bekommen und er entschied sich, ihn zu ergänzen und so zu ändern, daß es möglich sein wird, ein großartiges Passionstheater vorzuspielen. Ammann, der aus Tirol stammte, kannte die damaligen Passionsvorstellungen in Oberammergau und Brixlegg und wollte die Passionspiele in Hořice auf ihr Niveau erheben. Für diese Absicht gelang es, sowohl die Bürger von Hořice als auch den deutschen Schutzbund Deutscher Böhmerwaldbund (gegründet im Jahre 1884) zu begeistern, mit dessen Hilfe in den Jahren 1892-1893 ein neues Theatergebäude erbaut wurde, und am 25. Juni 1893 wurde die Premiere der großen Passionsvorstellung aufgeführt.
Die Passionsspiele von Hořice wurden seitdem zum Begriff. In den ersten Jahren fanden sie alljährlich statt (1893, 1894, 1895, 1896). Die Vorstellung besuchten in den ersten zwei Jahren 80 tausend Besucher. Der Zuschauerraum wurde nach dem ersten Jahr auf eine unerhörte Gesamtkapazität von 2 000 Plätzen ausgebaut. Unter den Gästen der Passionsspiele befanden sich auch Mitglieder der Kaiserfamilie, Mitglieder vorderer Adelsgeschlechter, hohe kirchliche Würdenträger sowie auch weitere bedeutende Persönlichkeiten. Im Jahre 1897 drehten hier amerikanische Filmemacher den ersten Ganzabendfilm. Bis zum Ersten Weltkrieg fanden sie dann noch in den Jahren 1898, 1903, 1908 und 1912 statt. Auf die nächste Vorstellung wartete Hořice bis zum Jahre 1923 und weitere Vorstellungen fanden dann in den Jahren 1927, 1930, 1933 und 1936 statt. Alle Vorstellungen wurden deutsch gespielt. Im Jahre 1923 wurde der Text ins Tschechische übersetzt und insgesamt sechsmal als Buch herausgegeben.
Das Ende der deutschen Passionsspiele nach dem Jahre
1939
Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Passionsspiele in Hořice
von den Nazis aufgelöst und das Theatergebäude zum Lager für
Militärmaterial verwendet. Die Tradition der Passionsspiele schien
geendet zu haben. Nach der Niederlage der Nazis gehörte Hořice zu
den Orten in der wiederhergestellten Tschechoslowakei, aus denen
die deutschen Bürger ausgesiedelt wurden.
Tschechische Passionsvorstellungen nach dem Jahre
1945
In die Gemeinde kamen neue Siedler, die sich unter der Leitung von
Jaroslav Tomáš Vetešník und dem Pfarrer aus Kájov P. Jan Václav
Straka entschieden, an die Vorkriegstradition anzuschließen und die
Passionsvorstellungen zu erneuern. Als Grundlage für die
Vorstellung diente die neue tschechische Übersetzung des
Passionstextes, den Msgre. Antonín Melka angeschafft hat. Die
Bewohner von Hořice nahmen die notwendigen Sanierungsarbeiten am
Theatergebäude, an der Bühnenausstattung sowie an den Kostümen
vor.
Die Einstudierung der Spiele begann schon im Jahre 1946. Die tschechischen Passionsvorstellungen fanden in den Jahren 1947 (damals noch in einer gekürzten Fassung) und 1948 statt und sie fanden großes Interesse. Es handelte sich insgesamt um zwanzig auf Plakaten bekanntgegebene Termine und der Zuschauerraum des Theaters war den Erinnerungen der Zeitgenossen zufolge immer gefüllt.
Das Ende der Passionsspiele nach dem Jahre
1948
Nach dem Jahre 1948 bemühte sich die regierende kommunistische
Partei um eine schnelle Liquidierung der Reste der Passionsspiele
von Hořice. Das Theatergebäude diente vorerst als Schafstall und
Strohlager. Danach wurde das Holzgebäude auseinandergenommen und im
Jahre 1966 wurden die gemauerten Teile des Gebäudes gemeinsam mit
der nahen Wallfahrtskirche mittels Sprengstoff dem Boden gleich
gemacht. An die altertümliche Tradition erinnerte nur die in den
privaten und kirchlichen Sammlungen sowie in den Depositorien der
Archive und Museen erhalten gebliebene Dokumentation.
Wiederherstellung der Passionstradition nach dem Jahre
1989
Zur Änderung kam es erst nach dem November 1989. Dank der
unermüdlichen Initiative des ersten frei gewählten Bürgermeisters
der Gemeinde Dipl.-Ing. Miroslav Čuňát sowie auch einer Reihe von
weiteren begeisterten Menschen, von denen wir zumindest Dipl.-Ing.
Karel Fila und Růžena Hotová nennen möchten, entstand an der Neige
des Jahres 1990 die Gesellschaft für die Wiederherstellung der
Passionsspiele in Hořice na Šumavě - Passion.
Dann folgten die Ereignisse schnell nacheinander: PhDr Jindřich Pecka schrieb ein neues tschechisches Passionspiel, der Komponist Jaroslav Krček komponierte die Musik und mit der Gruppe Musica Bohemica sang er sie und nahm auf; der erfahrene Theatermacher Antonín Bašta nahm sich der Regie an und in Hořice und auch in der Umgebung wurden Laienschauspieler gefunden. Im Juni 1992 fingen die Proben an und es war nicht immer eine einfache Arbeit. Die Hořicer Lehrerin Alena Strašrybková entwarf die Kostüme und die hiesigen Frauen nähten sie aus den vom Unternehmen Jitex in Písek gespendeten Stoffen.
Es ergab sich die Frage, wo man spielen soll. Anstelle eines geschlossenen Raumes wurde die malerische Szene des Waldparkes gewählt, in der unmittelbaren Nachbarschaft des einstigen Passionstheaters. Ein Hochschulstudent entwarf eine originelle Überdachung des Zuschauerraumes sowie auch die im bewaldeten Hang untergebrachte Bühne. Opferbereite Bürger aus Hořice sorgten für die Geländearbeiten, errichteten Garderoberäume und auch Sanitäranlagen, erbauten die Palisaden der Bühne und auch die Bänke für 500 Zuschauer ...
Und nicht nur das. Der Gesellschaft Passion gelang es, zahlreiche Kontakte mit inländischen und auch ausländischen Mitarbeitern und Gönnern anzuknüpfen. Zu den wertvollsten gehören die Kontakte mit Freunden aus den ausländischen Passionsgesellschaften, dank denen Hořice na Šumavě einen Ehrenplatz in der internationalen Gemeinschaft EUROPASSION bekommen hat. Besonders erwähnenswert sind die Beziehungen mit der Passionsgesellschaft in St. Margarethen im österreichischen Burgenland und auch mit weiteren (z. B. im österreichischen Mettmach oder in Loudeac in Frankreich).
Passionsspiele
in Hořice na Šumavě nach dem Jahre 1993 - der Weg der
Hoffnung
Die neueste Geschichte der tschechischen Passionsvorstellungen in
Hořice na Šumavě begann mit der Premiere am 29. Juni 1993. In den
ersten vier Jahren fanden insgesamt 36 Vorstellungen statt, die von
fast 10 tausend Zuschauern aus der Tschechischen Republik, der
Slowakei, aus Österreich, Deutschland, Frankreich sowie auch aus
anderen Ländern besucht wurden. Es befanden sich darunter Vertreter
der Passionsgesellschaften aus ganz Europa, sowie Repräsentanten
des öffentlichen Lebens. Es fehlten nicht einmal Repräsentanten der
kirchlichen Kreise: der päpstliche Nuntius in der Tschechischen
Republik Giovanni Coppa, der Prager Erzbischof Kardinal Miroslav
Vlk, der Budweiser Bischof Antonín Liška, der Generalvikar der
Budweiser Diözese Václav Dvořák und weitere.
Hořice und seine Passionsspiele erhielten im Februar 1997 eine hohe Würdigung. Ihre Vertreter übernahmen damals auf der Prager Burg den Preis für die Entwicklung der örtlichen bürgerlichen Aktivitäten der Stiftungen Patria und Místo v srdci (Platz im Herzen) für das Jahr 1996. Hořice wurde so zum ersten Preisträger im Wettbewerb, in den einhundertneunundvierzig Projekte "einfacher" Menschen angemeldet wurden, die mit konkreten Taten ihre Beziehung zum Ort, in dem sie leben, zum Ausdruck bringen.
Die Passionsvorstellungen in Hořice na Šumavě bereichern jedoch nicht nur das Leben der Menschen in der Gemeinde sowie in der Umgebung. Empfängliche Menschen aus dem In- und Ausland kommen in die kleine Gemeinde im Šumava (Böhmerwald) ohne Unterschied der Nationalität und lassen sich von der uralten biblischen Geschichte ansprechen und bezeugen somit die Verständlichkeit und Kraft ihrer Botschaft.
Kommen auch Sie. Gemeinsam mit weiteren Zuschauern und mit dem fünfzigköpfigen Ensemble der Hořicer Passionsspiele begeben Sie sich "auf den Weg, der die Sterne berührt" und zum "Licht, das in der Ferne brennt" führt ...
(pj)