Historische Orgeln in der Stadt Český Krumlov
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Nur wenige Städte in Südböhmen sind so reich an wertvollen historischen Orgeln wie Český Krumlov. Eine Reihe von diesen Instrumenten füllt mit seinem Klang architektonisch und künstlerisch einzigartige sakrale Räume, die zu den Schätzen der Gotik und des Barocks gehören.
Das künstlerisch fruchtbare Milieu des Rosenbergischen Hofes der Renaissance ermöglichte, daß hier wirkliche Persönlichkeiten auf dem Gebiet des Musikinstrumentenbaus heranwuchsen. In der Kirche St. Veit in der Stadt Český Krumlov standen schon damals zwei Orgeln. Aus dem Schaffen des zweifellos bedeutendsten Krumauer Orgelspielers der Renaissance, Tomáš Grevis, der an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts tätig war, blieb außer zahlreicher Archivberichte leider nichts erhalten.
Das wirklich älteste erhalten gebliebene Instrument ist das sich im Grunde im völlig ursprünglichen Zustand befindende Instrument der Orgelbauer Nicolaus Christeindl und Bernhard Wollers aus České Budějovice, das hinter dem Hauptaltar der Krumauer Klosterkirche der Jungfrau Mariä und des Leibes Christi in Latrán ( Minoritenkloster in der Stadt Český Krumlov) versteckt ist. Das zweimanualige Instrument mit 22 Klangregistern stammt aus den Jahren 1679-82 und in der Individualität seiner Stimmen trägt es noch die letzten Nachklänge der Renaissancezeit, obwohl es die für die Renaissance typischen Zungenregister vermißt, mit der dezenten Besetzung der Pedale gehört es schon zum reifen Kreis des frühbarocken süddeutschen Orgelbaus.
Auch im Orgelbau mischten sich auf diesem Gebiet immer die Einflüsse des nahen Oberösterreichs und der Passauer Orgelwerkstätten mit den einheimischen. Ein Beweis für diese Einflüsse ist eine weitere bemerkenswerte Orgel, die sich auf dem Chor oberhalb des Eingangs in die Krumauer Kirche St. Veit als Chorinstrument befindet. Beendet wurde es im Jahre 1716 von einem bis jetzt unbekannten Orgelbauer, der wahrscheinlich aus dem Umkreis der Passauer Orgelwerkstätte der Egedacher stammt - dies bezeugten architektonische und plastische Elemente auf dem Kasten. Ursprünglich stand es in der heute nicht mehr existierenden Kirche St. Jošt in der Stadt Český Krumlov und auf seinen heutigen Platz wurde es in der Zeit der Josephinischen Reformen dank einer aufklärerischer Entscheidung des damaligen Stadtrates übertragen. Im Gegensatz zu den vorherigen zwei Instrumenten ist bei diesem die Oberfläche des Kastens im Einklang mit der hochbarocken Praxis mit Marmorieren in einigen Farbnuancen verziert und die Akanthitverzierung im polierten Weiß gefaßt. Es entstand so ein wirkungsvoller Komplex, der architektonisch durch das Überwiegen der vertikalen, sich in die Seiten entwickelnden Linie betont ist und beide Manualanlagen übereinander in einem Kasten stellt. Dies ist im südböhmischen Orgelbau der damaligen Zeit ebenfalls sehr selten anzutreffen. Durch die Klangkonzeption und den Charakter der weichen Intonation reflektiert diese Orgel bestimmte italisierende Einflüsse, die auch im österreichischen Orgelbau vorkommen, z.B. Disponieren des Schwingungsregisters Piffara an der Hauptanlage. Alle bis jetzt erwähnten Instrumente wurden vor kurzer Zeit pietätvoll von Restauratoren-Spezialisten - Vladimír Šlajch aus Borovany und Dušan Doubek aus Jihlava restauriert oder konserviert.
In den Sammlungen des Schlosses Český Krumlov ist auch ein kleines tragbares Positiv aus dem Anfang des 18.Jahrhunderts aus der Werkstatt des Mirovicer Orgelbauers Caspar Neumann erhalten geblieben. Ähnliche Instrumente waren in der Barockzeit ein üblicher Bestandteil der Chorinventare und wurden vor allem bei Wallfahrtsprozessionen genutzt. Heute bestehen auf dem Krumauer Gebiet, in verschiedenem Zustand, nur noch einige wenige. Die erwähnte Orgel ist heute Bestandteil der I. Besichtigungstrasse des Schlosses Český Krumlov.
Im zweiten Drittel des 18.Jahrhunderts hinterließ auf dem Krumauer Gebiet die fruchtbare Werkstatt der Pantočeks aus Dačice ihre Spuren, von ihrem Schaffen blieb in der Region jedoch nichts erhalten. Das Aussehen ihres wahrscheinlich größten Instruments auf dem Hauptchor der Kirche St. Veit in Český Krumlov hält nur noch ein Archivfoto aus dem Anfang des Jahrhunderts fest.
In der Mitte des 18.Jahrhunderts setzte sich hier die Orgelwerkstatt der Semráds aus Sedlc durch. Das Werk von Friedrich Ferdinand Semrád repräsentiert am besten ein fünfregistriges Positiv aus dem Jahre 1750 auf dem Chor der Schloßkapelle St. Georg. Seine Klangkrone gipfelt mit einer scharfen Tertienmixtur, die auch für seine weiteren Werke typisch ist. Eine Besonderheit des Instrumentes ist die Möglichkeit, alle Register der Prinzipalgruppe durch einen Zug einzuschalten, was mittels einer durchdachten Verbindung der Registerhebel möglich ist sowie auch die Verwendung der sonst in der Region nicht üblichen gebrochenen Oktav mit geteilten Halbtontasten Fis, Gis.
Im 19.Jahrhundert wirkte in Český Krumlov die Orgelwerkstätte von Frantz Jentschke und später von Franz Jüstel, die die Tradition des klassischen Orgelbaus bis zu Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts pflegte. Mit Ausnahme der Orgel in Černice blieben jedoch Instrumente dieser Werkstätte meistens außerhalb der Krumauer Region erhalten. Das Zeitalter des sog. Orgelromantismus repräsentiert vor allem die mächtige dreimanualige Orgel von Heinrich Schiffner, mit einem pneumatischen System von 47 Klangregistern aus dem Anfang unseres Jahrhunderts in der Kirche St. Veit in Český Krumlov, die heute bereits auch zu bedeutenden musik-historischen Denkmälern ihrer Zeit gehört.
Eine ganze Reihe der erwähnten Instrumente erklingt während der Sommersaison bei Orgelkonzerten. Eine ungewöhnliche Art, sich mit einer ganzen Reihe der Orgelinstrumente bekannt zu machen, stellt die alljährlich vom Orgelspieler Michal Novenko veranstaltete Veranstaltung "Organum hydraulicum". Ihre Teilnehmer sind an der Moldau mit Kanus unterwegs und besuchen auf der Strecke zwischen Vyšší Brod (Hohenfurt) und Zlatá Koruna (Goldenkron) Kirchen mit historischen Orgeln, wobei sie jeden Tag mit einem Stilorgelkonzert in einer der Kirchen entlang der Moldau abschließen. So werden einige der bis jetzt außer Acht gelassene Instrumente belebt.
(zp)
Weitere Informationen:
Geschichte der Musik in der Stadt Český Krumlov
Historische Orgeln in der Region Český Krumlov