Das Fest des Zeigens der sterblichen Überreste in der Stadt Český Krumlov
Die Verehrung der
sterblichen Überreste wurde im Königtum Böhmen in der 2. Hälfte des
14. Jahrhunderts von großer Bedeutung, und zwar unter dem
persönlichen Einfluß des römischen Kaisers und böhmischen Königs
Karl IV. In jener Zeit wurden in Prag sterbliche Überreste zusammen
mit den Reichskleinodien bei der Fronleichnams-Kapelle gezeigt. Die
ehrgeizigen
Rosenberger, die sich bemühten, dem Herrschersitz in allen
Bereichen gleichzukommen, führten damals die Verehrung der
sterblichen Überreste auch in ihrer Residenzstadt ein. Dieses Fest
fand jedes Jahr in der Konventkirche der Minoriten und Klarissinnen
in Český Krumlov statt, die gerade dem Leib des Herrn und Mariä
Verkündigung geweiht war. (
Minoritenkloster in der Stadt Český Krumlov). Als seine Gründer
(1350) hatten die Rosenberger zu diesem Konvent eine sehr nahe
Beziehung. Die aus den Gaben Karls IV., Ludwigs I., des Patriarchen
von Aquileia, des Prager Erzbischofs, usw. stammenden sterblichen
Überreste wurden in Reliquiare eingesetzt und in der St.
Georgs-Kapelle im Schloß in Český Krumlov (Reliquien
des hl. Kalixtus in der St. Georgs-Schloßkapelle) und manche
auch im Zisterzienserkloster in Vyšší Brod (Hohenfurt) aufbewahrt,
das von den Rosenbergern im Jahre 1258 als ihre Familiengruft
gegründet worden war.
Vor 1379 fand die Fronleichnamsprozession und die Prozession mit den sterblichen Überresten erst an der Oktav des Fronleichnamsfestes statt (d. h. am achten Tag nach dem eigentlichen Fest; große Feste werden in der katholischen Kirche acht Tage lang gefeiert) wegen dem Streit mit der Pfarrgeistlichkeit, deren Fronleichnamsprozesion von dem Fest bei den Minoriten in den Schatten gestellt wurde, verlegte man sie später. Die Bedeutung des Festes des Zeigens der sterblichen Überreste nahm Ende des 14. Jahrhunderts noch zu, als die Rosenberger dafür noch viele Ablässe erwarben.
Im Nekrologium der
Krumauer Minoriten ist eine Anleitung für die Führung dieses Festes
erhalten, die zwar nicht vollständig ist, jedoch einen hohen
Aussagewert hat. Sie ist auch dadurch wertvoll, daß es sich
wahrscheinlich um den einzigen Beleg der musikalischen Produktion
in Český Krumlov Ende des 14. Jahrhunderts handelt. (
Geschichte der Musik in der Stadt Český Krumlov). Das Fest sah
wie folgt aus: zur Fronleichnamsoktav reihte sich die Prozession in
der Konventkirche beim Hymnusgesang und zog dann in Richtung auf
die Pfarrkirche St. Veit. An ihrer Spitze gingen Personen, die Gras
und Blumen streuten, ihnen folgten vier Mönche mit einem Reliquiar,
dann andere mit der Monstranz der Überreste, Ministranten mit
Glöckchen, der Abt von Vyšší Brod (Hohenfurt) mit dem Heiligen
Sakrament unter einem seidenen Traghimmel, der von vier Männern mit
den Gestalten der vier Evangelisten getragen wurde. Der Abt war von
der Geistlichkeit umgeben und zuletzt ging das Volk. Die Prozession
wurde vom Gesang und von der Instrumentalmusik der "pueri",
wahrscheinlich der Schüler der lateinischen Schule in Český
Krumlov, begleitet. Nach der Rückkehr aus der Kirche wurden auf dem
Klosterfriedhof die sterblichen Überreste in vier Monstranzen vom
Abt von Vyšší Brod (Hohenfurt) gezeigt. Der Priester rief sie erst
auf tschechisch, dann auf deutsch aus. Nach dem folgendem Erteilen
der Ablässe fand eine feierlich gesungene Messe statt, an der außer
den Geistlichen auch ein Teil der Gläubigen teilnahm. Die anderen
hörten die deutsche Predigt auf dem Hof des Klosters oder weilten
im Kreuzgang und auf dem Friedhof, wo auch eine Predigt gehalten
wurde. Nach der Messe gingen alle zu einem Festmahl auf die Burg.
Dem Mahl folgte eine lateinische Predigt über Fronleichnam in der
Klosterirche. Den ganzen Tag lang nahm eine Menge Priester die
Beichte ab.
Dieses Fest der Verehrung der sterblichen Überreste fand zuletzt im Jahre 1417 statt. Aus Anlaß des zum Hussitentum neigenden Ulrich II. von Rosenberg wurden die anwesenden Pfarrer des Rosenbergischen Patronats zum Übertreten zum Utraquismus gezwungen. Mehrere wurden von ihren Pfarren vertrieben. Nach seiner Rückkehr zum Katholizismus 1420 gab Ulrich die Reliquien als Pfand, um Mittel für den Kampf gegen die Hussiten zu gewinnen. Die sterblichen Überreste wurden in den 50er und 60er Jahren des 15. Jahrhunderts zurückgegeben, doch die berühmten Prozessionen der sterblichen Überreste wurden nicht mehr erneuert.
(jh)