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Untergegangene Pfarrei Rychnůvek

Rychnůvek war Sitz der Pfarrei und später auch der Dekanei im Gebiet unter der Burg Vítkův Hrádek auf dem linken Ufer der Vltava. Die Ortschaft wird zum ersten Mal im Rožmberker Urbar aus dem Jahr 1379 erwähnt, als hier "sechs Eingesessene", also sechs Bauerngüter angeführt werden. Die Ortschaft entstand jedoch wahrscheinlich bereits im 13. Jahrhundert am Handelsweg vom österreichischen Haslach nach Frymburk. Im Jahr 1384 wird von der hiesigen Kirche St. Wenzel wie von einer Pfarrkirche gesprochen. Die ursprüngliche deutsche Bezeichnung "Auf reichen Au" wurde bereits im 14. Jahrhundert in der Gestalt Rychnov ins Tschechische übernommen und später in Rychnůvek verwandelt. In der Geschichte erscheinen auch die Bezeichnungen Německý Rychnov und Rychnov u Frymburka. Nach der Aussiedlung der deutschen Bevölkerung "fiel" hier "der eiserne Vorhang" und es begannen die allmähliche Entvölkerung und Devastation der Gemeinde. Am neunten Juni 1959 wurde die Dekaneikirche St. Wenzel von einem speziellen Demolierungskommando des Innenministeriums in die Luft gesprengt, als es vorher auf eine ähnliche Weise auch zur Demolierung der übrigen Häuser kam. An die Lage der ursprünglichen Kirche erinnert heute ein einfaches Kreuz aus Holz, an dem zum ersten Mal seit dem Jahr 1959 am zehnten August 1991 Pater Horst Prieschl wieder eine Messe las.

Kreuz an der Stelle der abgerissenen Pfarrkirche Rychnůvek, Foto: Lubor Mrázek

Im Rožmberker Urbar aus dem Jahr 1379 werden bei der Herrrschaft Vítkův Hrádek, die mit der Pfarrei Rychnůvek identisch ist, in 16 Gemeinden und Ortschaften 178 Anwesen angeführt. Heute gibt es keine von diesen Gemeinden mehr und das ganze Gebiet fällt jetzt unter die Verwaltung der Gemeinde Přední Výtoň. Unter den Ortschaften kommt im Jahr 1379 eine Glashütte (Glashut) vor. Es ist interessant, dass beide weiteren Urbare, sowohl im Jahr 1515, als auch 1590 wenigere Anwesen anführen als im Jahr 1379. Dank einem geräumigen Dorfplatz mit schön gebauten Häusern wurde Rychnůvek oft als Marktflecken bezeichnet, obwohl es faktisch zu keinem wurde. Seit 1893 gab es hier eine Post, die auch Personenbeförderung sicherte. Nach dem Jahr 1918 gab es hier drei Veihhändler, drei Gaststätten, zwei Spirituosenschänke, zwei Lebensmittelgeschäfte und zwei Gemischtwarenhandlungen, zwei Graupenhändler, zwei Bäcker, einen Wagner, Uhrmacher, zwei Schuster, zwei Tabakläden, zwei Müller und Säger, einen Hammerschmied, eine Hebamme und einen Händler mit Rosshaarwebwaren. Die Schule, die Rychnůvek am Pfarrhaus seit jeher hatte, war vierklassig und wurde von etwa zweihundert Kindern von mehreren zugeschulten Dörfern besucht.

Eingegangener Friedhof Rychnůvek, Foto: Lubor Mrázek

Die 1673 umfangreich umgebaute gotische Kirche verfügte über ein Schiff mit vier Feldern mit dem Presbyterium mit einem Feld und Schluss von drei Seiten eines Achtflächners. Der vierstöckige Turm lag an der nordwestlichen Ecke an das Schiff an. Das Satteldach des Schiffes und der Walm des Presbyteriums waren mit Dachziegeln, die Kuppel und das Sanktustürmchen mit Blech gedeckt. Das ganze Kircheninnere war aus der Zeit der Spätrenaissance. Der Hauptaltar war doppelt. Vorne weißer Rokokoaltar, teilweise vergoldet und an der Wand hinter ihm stand ein Spätrenaissancealtar. In der Mitte des Altars hing ein Bild der Ermordung des heiligen Wenzels. Neben dem Altar standen vergoldete Statuen des hl. Adalberts, hl. Ludmila, hl. Prokops und hl. Ivans in Lebensgröße. Zwei hölzerne Seitenaltäre stammten aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Der hölzerne Rokokopredigtstuhl mit einem Relief des hl. Josefs hatte auf dem Deckel eine Statue. Ein einziges Überbleibsel der Gotik war das 113 cm hohe Sakramentshäuschen, das gemeinsam mit dem Gitter aus dem 16. Jahrhundert stammte. Die Orgel stammte aus der Rokokozeit. Im Jahr 1738 wurde die Kirche zu einer Dekaneikirche erhoben.

Reichenau bei Friedberg, ein historisches Foto, Quell: Toulky českou minulostí II, Petr Hora, 1991, ISBN - 80 - 208 - 0111 - 1

Die ganze Gegend, die nach dem Jahr 1851 dem Gerichtsbezirk Vyšší Brod angeschlossen wurde, litt unter ihrer Isolierung. Spürbar fehlte eine geeignete Verkehrsverbindung. Die Menschen gingen von hier bis ins österreichische Haslach oder Aigen zum Zug. Die Kontakte mit der böhmischen Seite waren noch komplizierter. Am 21. September 1938 wurde hier von den Mitgliedern des Freikorps der Kommandant des Gendarmeriepostens in Rychnůvek Antonín Měsíček hinterrücks erschossen. Auf Grund des Münchner Abkommens wurde die Pfarrei nicht nur dem Dritten Reich Hitlers angeschlossen, sondern ab dem 18. Juli 1939 wurde sie sogar vom Bezirk Vyšší Brod an den österreichischen Bezirk Rohrbach gebracht. Zur Pfarrei Rychnůvek gehörten bis 1945 16 Ortschaften und es lebten hier in 420 Häusern 2100 Einwohner. Rychnůvek selbst hatte 54 Häuser und 410 Einwohner. Am 7. Mai 1945 wurde das ganze Gebiet mit einem Umfang von 5.211 Hektar vom Bezirk Rohrbach abgesondert und wurde Bestandteil des Bezirks Kaplice. Zwischen dem 25. April und 15. November 1946 wurden aus der Pfarrei Rychnůvek 1.494 Deutsche ausgesiedelt und drei Jahre später zogen die restlichen 250 gebürtigen Österreicher nach Österreich um. Zu Beginn der fünfziger Jahre wurde das hiesige Gebiet zur verbotenen Grenzzone, die "einfache Leute" nicht betreten durften. Die Gegend beherrschte die Grenzwache, unter deren aktiven Teilnahme die hiesigen Dörfer zielbewusst liquidiert wurden. Zu einer Lockerung kam es endlich nach dem November 1989, als der Stacheldraht rasch verschwand. Im öden Land verraten heute nur geringe Spuren die einst besiedelten Orte.

(fs)

Weitere Informationen:
Geschichte der Region Vyšší Brod
Untergegangene Pfarrei Kapličky
Vítkův Hrádek
Kirchliche Objekte in der Region Český Krumlov
Přední Výtoň
Untergegangene Gemeinden und Ortschaften in der Region Vyšší Brod