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Vyšší Brod und Entstehung der Tschechoslowakei

Die Nachricht davon, dass am 28. Oktober 1918 der selbstständige tschechoslowakische Staat erklärt wurde, kam nach Vyšší Brod erst am folgenden Tag. Nach ganztägiger Spannung beriefen die Deutschen für den Abend ins Hotel Panský dům (Herrenhaus) eine Sitzung ein, zu der jedoch die Tschechen keinen Zutritt hatten. An den Vorstandstisch setzten sich der deutsche Abgeordnete Dr. Wichtl aus Wien, Bezirkshauptmann Schöbel aus Kaplice und Abt des Vyšebroder Klosters Pammer. Bei dieser Sitzung wurde vereinbart, dass es um den Anschluss von Vyšší Brod an "Deutsch - Österreich" ersucht werden soll.

Hohenfurth, Stiftsbahnhof, Quell: Böhmerwaldheimat, Fanny Greipl, 1990, ISBN - 3 - 9802353 - 1 - 9

Gleich am nächsten Tag, dem 30. Oktober 1918, wurde begonnen nur auf Deutsch zu amtieren. Post wurde bereits auf dem Bahnhof in Kaplice abgefangen, der von den Einheiten der Volkswehr besetzt wurde, sodass der Kontakt mit dem bömischen Innland unterbrochen wurde. An demselben Tag kamen hundert Männer der Volkswehr nach Vyšší Brod. Die bildeten mit den einheimischen demobilisierten Soldaten deutscher Nationalität eine bewaffnete Militärformation, die das Gebiet entlang der Eisenbahn zwischen Certlov (heute Rybník) und Lipno besetzte. Der deutsche Abgeordnete Dr. Wichtl bildete in Wien den "Böhmerwaldgau", der fast die ganzen heutigen Bezirke Č. Krumlov, Prachatice schluckte und bis zu Domažlice reichte. Der Bezirkshauptmann Schöbel versammelte um Kaplice herum mehr als 700 Mitglieder der Volkswehr, die 600 Gewehre, 16 Maschinengewehre, 10 Pistolen und 75000 Ladungen hatten. In die Hände des Abtes Pammer legten die Angestellten deutsche Nationalität in Vyšší Brod ein Versprechen der Treue dem Land Deutsch - Österreich ab.

Anfang November 1918 wurde im Budweiser Polizeikorps entschlossen einen Militäreingriff gegen die Kaplicer Gruppe der Volkswehr zu unternehmen, der entlang der Straße Kaplice Bahnhof - Kaplice Stadt geführt wurde. Drei Kompanien mit vier Kanonen, geführt von Ságner, und die vierte Kompanie unter der Leitung von Urban sollten eine Umfassung durchführen und die fliehende Volkswehr in der Nähe des Dorfes Suchdol nad Certlovem anhalten. Dem Hauptmann Ságner gelang es nach der Kanonade das ganze Korps der Volkswehr aus Kaplice zu vertreiben, aber Urbans Kompanie hielt die fliehenden Einheiten der Volkswehr wegen Munitionsmangel nicht an.

Noch an demselben Tag kam ein Zug mit dem Ingenieur Emil Frič, Josef Eliáš, Václav Janda und der Kompanie des Kommandanten Urban nach Vyšší Brod. Hier auf dem Rathaus, wo sich die Vertreter der Gemeinde mit dem Bürgermeister Johann Schmidke versammelten, stießen sie auf Widerstand. Der Stadtrat wollte nicht die Nachricht austrommeln lassen, dass sämtliche Schießgewehre sofort abgegeben werden sollen. Erst nach einem energischen Eingriff des Kommandanten Urban ließ der Bürgermeister Schmidke den Befehl austrommeln. Inzwischen wurde das tschechoslowakische Heer im Hotel Panský dům untergebracht, obwohl der Kommandant Urban noch an demselben Tag Lipno und Frymburk besetzen wollte. Es kamen ihm jedoch 14 Vertreter der über Vyšší Brod liegenden Gemeinden zuvor, die in die Hände Urbans Treueid dem tschechoslowakischen Staat ablegten. In Vyšší Brod wurde nur eine Wache hinterlassen und am folgenden Tag fuhr der Zugtransport nach Horní Dvořiště, wo die Eisenbahnstation und umliegende Dörfer besetzt wurden.

Nachdem die Kompanie des Kommandanten Urban weggegangen war, herrschte einige Tage lang scheinbare Ruhe. In diesen Tagen wurde jedoch in Vyšší Brod erneut eine Abteilung der Volkswehr gebildet. Als am 7. November 1918 von Kaplice Schießen aus Kanonen und Maschinengewehren zu hören war, fuhr die Volkswehr wieder zu Certlov. Hier sahen ihre Angehörigen jedoch schon von weitem einen langen Zug mit der tschechoslowakischen Trikolore, der in der Station stand. Die Volkswehr kehrte nach Vyšší Brod zurück und österreichischen Soldaten kehrten in Gruppen nach Österreich zurück.

An demselben Tag vormittags trafen auf dem Rathaus die Stadtvertretung sowie der Stadtrat zu stürmischen Verhandlungen. Der Bürgermeister Schmidt berief zu diesen Verhandlungen den Tschechen Vojtěch Sladký und bat ihn, die Deputation der Stadt zum tschechoslowakischen Heer zu führen, das die Bahn von Certlov besetzt. Vojtěch Sladký fand sich gern bereit, aber vor Mittag ließ ihm der Bürgermeister sagen, dass die Gemeindevertretung beschloss die Stadt vor der Besetzung zu verteidigen. Zu Mittag lud der Bürgermeister Sladký wieder in seine Wohnung ein. Er stellte ihm die Frage: "Was würden Sie tun und was würden Sie an der Stelle des Bürgermeisters unternehmen ?" Sladký antwortete, dass er alles tun würde, um die Stadt vor der Katastropfe zu schützen. Und so kam die Delegation von Vyšší Brod unter der Leitung Vojtěch Sladkýs um drei Uhr nachmittags nach Certlov und dort brachte sie zu Protokoll, dass die Stadt keinen Widerstand leisten wird, und verbürgte mit ihrem Unterschrift, dass sie ihre Volkswehr sofort entwaffnet und auflöst.

(fs)

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