Die ältesten Handschriften des Klosters Vyšší Brod
Ein lateinisches Sprichwort sagt: "Claustrum sine armarie est guasi castrum sine armamentarie", was frei übersetzt bedeutet "Ein Kloster ohne Bibliothek ist wie eine Burg ohne Ausrüstung". Die Grundlage der heutigen großartigen Bibliothek im Zisterzienserkloster Vyšší Brod war eine kleine Handbücherei, die die ersten 12 Mönche im Jahr 1259 aus Wilhering brachten. Die Bücher waren in dieser Zeit in der Wohnung des Abtes aufbewahrt. Es blieb ein Verzeichnis von 77 Büchern erhalten, die im Kloster Vyšší Brod bereits seit 1259 sind. Allmählich wurden durch Geschenke, einen Kauf sowie durch eigenes Abschreiben weitere Handschriften erworben. Die heutigen 205 Pergamenthandschriften bilden einen rar abgerundeten Komplex, der beweist, dass die Bildung der Klosterbibliothek systematisch und zielbewusst war.
Von der ganzen Sammlung sind vier "Schreiben des heiligen Paulus" auf Pergament die ältesten. Es handelt sich um ein Bruchstück aus dem 8. Jahrhundert. Jedes Blatt hat Ausmaße von 15x12 cm und auf dem Pergament sind Minuskeln mit roten Majuskeln. Das lateinische Wort Minuskel bezeichnet einen kleinen und Majuskel einen großen Buchstaben. Weitere mindestens drei handgeschriebene Bücher stammen aus dem 11. Jahrhundert. Das bedeutendste ist "Psalterium". Dieser Psalmer enthält das Psalmenbuch des Alten Testaments, hat 142 Seiten und auf der vorletzten Seite steht die Jahreszahl 1018. Die einzelnen Seiten sind 18x14 cm groß und nach Vyšší Brod wurde er vom Stammkloster in Wilhering im Jahr 1259 gebracht. Weiteres Buch "Dialogi Gregorii" wurde in den Jahren 1081 - 1082 von Evín (Johann) geschrieben. Das dritte Buch aus dem 11. Jahrhundert ist "Antifonar".
Das Buch "Commentarius biblicus super Lucan et Joanen" aus der Vyšebroder Klosterbibliothek wurde um das Jahr 1200 in Frankreich geschrieben. Es hat 179 Pergamentblätter mit Ausmaßen von 34x24 cm und ist mit der französischen Minuskel auf dem westeuropäischen ungeglätteten Pergament geschrieben. Die Dekoration des Buches ist ausschließlich grafisch. Der Kleinmalerei beherrschende Maler (Illuminator) benutzte orientalische Elemente. Cechner führte zwar im Jahr 1921 an, dass dieses Buch nach Vyšší Brod aus Wilhering gebracht wurde, aber nach meiner Meinung ist es wenig wahrscheinlich, denn in Wilhering war vor 1259 kein französisches Buch. Ich neige eher zu der Ansicht, dass dieses Buch 1292 bei der Rückkehr vom Generalkapitel in Citeaux gekauft wurde, als "König Wenzel II. den böhmischen Zisterziensern zum Einkauf von Büchern "200 Pfund Silber" schenkte. Weitere zwei handgeschriebene Kodices stammen aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und wurden wahrscheinlich in derselben Werkstatt hergestellt oder mindestens von demselben Maler illustriert. Es geht um "Martyrologium cisterciense" und "Regula s. Benedicti". Bei beiden Büchern geht es um mittelromanische Minuskel aus dem 13. Jahrhundert und die ornamentale Dekoration gehört zum Umkreis des süddeutschen und Alpengebietes. Bei "Regula s. Benedicti" haben die Gestalten der beiden Benediktiner ein grauweißes Gewand, was andeutet, dass das Buch bereits für den Zisterzienserorden geschrieben wurde.
Es ist bemerkenswert, dass im ältesten Katalog der Bibliothek kein Exemplar der ganzen Bibel vorkommt, also des Alten und Neuen Testaments. Das war ein Mangel, den im Jahr 1300 Abt Otto II. gut machte. Das Kloster Vyšší Brod verfügte in dieser Zeit über kein eigenes "Skriptorium", also keine Schreibstube, sodass sich der Abt das Kloster in St. Florian bei Linz um Hilfe ansprach. Das Skriptorium in St. Florian produzierte in dieser Zeit "gigantische Bibeln", die gleichen Stil- sowie sächlichen Merkmale in den Klosterbibliotheken der Alpenländer haben. Der Komplex von fünf großen Bibeln, der "Biblia Latina" genannt wird, hat die Katalognummer 17 und 1288 beschriebene Seiten. Jede Seite des Pergaments hat einen Ausmaß von 49x34 cm und ist mit mitteleuropäischer gotischer Schrift beschrieben. Am Anfang des ersten Teils ist mit der Hand des 14. Jahrhunderts Monasterii Altovadensis geschrieben, was untrüglich bedeutet, dass die Bibel von Anfang an im Besitz des Zisterzienserklosters Vyšší Brod war. Von dieser Bibel wurde bei verschiedenen liturgischen Zeremonien im Ordens- oder Kapitelchor, manchmal auch im Refektorium bei gemeinsamem Essen gelesen.
(fs)
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