Schule in Kaplice
Ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte des niederen Schulwesens in der Krumauer Region ergab die Schule in Kaplice, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Ferdinand Kindermann gegründet wurde, der in Kaplice seit dem Jahre 1771 als Dekan wirkte. Diese Schule wurde, dank seiner Bemühungen, zum Vorbild für ähnliche neu zu gründenden Institutionen. Während seines Theologiestudiums in Prag besuchte Kindermann Vorlesungen in der Pädagogik bei einer bekannten Persönlichkeit der Aufklärungszeit, Professor Seibt, der eine qualitativ gute Bildung der Jugend für eine Voraussetzung
zur Verwirklichung der gesellschaftlichen Änderungen im Staat hielt. Gleichzeitig wurde Kindermann, Pionier der Schulreformen, auch von der Organisation der niederen Schulen in Zaháň (heute in Polen) beeinflußt, wo er einen Studienaufenthalt absolvierte. Seine neuen Erkenntnisse brachte er in der Praxis bei der Reformierung der Schule in Kaplice mit der Unterstützung des Besitzers der hiesigen Herrschaft Nové Hrady, des Grafen Johann Nepomuk Buquoy (1741-1803), zur Geltung. Die Grafen von Buquoy widmeten sich völlig im Geiste der Aufklärung nicht nur der Verbesserung des Niveaus der Schulen, sondern auch der Betreuung der Armen, was zum Aufschwung breiter Bevölkerungsschichten auf ihrer Herrschaft führen sollte.
Sofort nach seiner Ankunft in Kaplice begann sich Kindermann der hiesigen Schule zu widmen, die sich in keinem guten Zustand befand: ein vergammeltes Gebäude, alle Kinder lernten zusammen und die Disziplin der Schüler war sehr schwach. Es wurde völlig mechanisch ohne tieferes Verständnis des durchgenommenen Stoffes unterrichtet. Kindermann organisierte vorerst die Aufteilung der Kinder dem Alter entsprechend. Der Graf Buquoy stattete die neu gestaltete Schule mit der notwendigen Einrichtung sowie auch mit Büchern aus und gleichzeitig gründete er eine Stiftung für zwei Lehrer. Zu den pädagogischen, beim Unterricht in der Kaplicer Schule zur Geltung zu bringenden Grundsätzen gehörten den Instruktionen von Ferdinand Kindermann entsprechend: den Kindern eine vollkommene Bildung zu übergeben, praktische und brauchbare Sachen beizubringen, nicht mittels leerer Worte, sondern durch Beispiele zu lehren, jegliche Gewalt in Bezug auf die Schüler auszuschließen, eher die Liebe zu unterstützen und das natürliche Interesse sowie die Neugier der Kinder zu nutzen. Als ein großes Problem stellte sich die Anwesenheit der ländlichen Schüler in der Schule dar, die zu Hause bei landwirtschaftlichen oder handwerklichen Arbeiten helfen mußten (Weiden des Viehs, Feldarbeiten, Weben der Stoffe, Verarbeitung der Wolle und ähnliches). Regelmäßig besuchten die Schule etwa 50 % der Kinder. Ein zweites Problem war das Schulgeld, das viele arme Kinder von der Bildung abhielt. Kindermann versuchte, alle Kinder zur Schule zu bringen. Armen Kindern borgte er kostenlos Bücher und Hilfsmittel und gleichzeitig überzeugte er die Eltern von der Bedeutung der Bildung für die Zukunft ihrer Kinder.
Die neue Auffassung und die Vorteile der Grundsätze von Kindermann bestanden darin, daß der Unterricht ein einheitliches System hatte, dank dem die Schüler eine zusammenfassende Übersicht über alle grundlegenden Informationen in verschiedenen Disziplinen erhielten. Außer dem unumgänglichen Lesen, Schreiben und Rechnen machten sich die Kinder auch mit den Grundkenntnissen in der Musik, Geschichte, Arithmetik, Geometrie, im Latein, Griechisch und in der Sittenlehre bekannt. Beiseite blieben auch nicht die biblische Geschichtslehre, Schönschrift, Rechtschreibung, Stilistik und Gedächtnisübungen. Im Sommer widmete sich Kindermann auch der praktischen Lehre im Schulgarten, damit sich die Schüler mit dem Anbau der Obstpflanzen sowie des Gemüses bekanntmachen, was zum Aufschwung der Landwirtschaft in diesem Gebiet führen sollte. In der Schule in Kaplice begannen sich die Lehrer auf einzelne Fächer zu spezialisieren. Bis zu dieser Zeit unterrichtete gewöhnlich ein Lehrer alles, ohne eine tiefere Orientierung. Kindermann achtete stets auch darauf, daß unter den Lehrern immer ein tschechisch sprechender ist, um so den Kindern auch in den tschechischen Dörfern entgegenzukommen. Sonst überwog beim Unterricht die deutsche Sprache. Kindermann war kein Vertreter der bewußten Germanisierung, die der aufklärerische Staat durchsetzte.
Die Schule in Kaplice wurde mit der Zeit sehr bekannt, es kamen hierher Priester und auch Lehrer, die von ihrer Obrigkeit entsandt wurden, um Kindermanns Erfahrungen in ihr Milieu zu übertragen. Von der Schule in Kaplice wurden zum Beispiel die Schulen in Český Krumlov, Vyšší Brod, Nové Hrady, Jindřichův Hradec sowie auch in anderen Orten beeinflußt. Eine Wertschätzung der pädagogischen Fähigkeiten von Kindermann war seine Ernennung an die Spitze der Kommission, die Aufsicht über die niederen Schulen in ganz Böhmen ausübte. Die Konstituierung der Kommission war das Ergebnis einer großen Reform des Schulwesens in der ganzen Monarchie im Jahre 1774, die von der Kaiserin Maria Theresia eingeführt wurde.
(zp)
Weitere Informationen:
Geschichte
des Schulwesens in der Region Český Krumlov