Geschichte des Wasserkraftwerks Lipno
Ganz einfache Berechnungen zeigten, dass der Oberlauf der Vltava schon von der Natur für die Nutzung der Wasserkraft sehr geeignet ist. Der Flussbett bei Lipno war 705 m über dem Meeresspiegel, bei Vyšší Brod 560 m und bei Mělník an der Mündung in die Elbe nur noch 155 m über dem Meeresspiegel, sodass die erste kurze Strecke mit einem Abfall von 145 Meter große Wasserkraftvorräte verbarg, während die ganzen weiteren 322 Kilometer des Flusses bis zur Mündung einen Höhenunterschied von bloßen 405 Meter hat. Über Lipno floss die Vltava nur mit einem geringen Abfall, der die Erreichung eines großen Beckens durch einen kleinen Anstau ermöglichte. Dieser Umstand und die scheinbar günstige Zusammensetzung des Baugrunds aus Granit und Gneis waren dann eine der Voraussetzungen des Baus eines Wasserwerks. Durch die Nutzung des Abfalls der Vltava an dieser Stelle und zweckmäßiges Wirtschaften mit den Wasservorräten im Stausee wurde berechnet, dass hier jährlich an die 150 Millionen kWh gewonnen werden. Bei der Umrechnung auf Braunkohle, mit der in Dampfkraftwerken geheizt wird, stellt es 75 000 Tonnen dar. Ein Wasserkraftwerk mit einem Staubecken hat noch den Vorteil, dass es in der Zeit Strom liefern kann, wenn der Stromverbrauch am größten ist, und zwar mit geringen Herstellungskosten und in kurzer Zeit.
Jahr 1951
Die mit dem Bau des künftigen Wasserbecken zusammenhängenden
Arbeiten begannen in den ersten Monaten des Jahres 1951. Das war in
der Zeit, als das ganze Projekt des Stausees noch nicht fertig war.
Als die ersten kamen die Maurer von der Firma Pozemní stavby in
České Budějovice, die in der Nähe des künftigen Staudamms
Holzhäuser für ständige Arbeiter sowie für Aufbauhelfer bauten und
so eine Grundlage der künftigen Siedlung in Lipno
gaben. Es wurden Lager, Garagen und Werkstätten gebaut. Kurz darauf
wurden größere oder kleinere Waldbestände sowie kleine Haine,
einzelstehende Bäume sowie Alleen entlang der Straßen entfernt, die
mit der Zeit unter das Wasser geraten sollten. Vom Gebiet fuhren
Tausende von Lkws mit Holz weg. Es wurden Häuser und andere Objekte
beseitigt, die das gleiche Schicksal wie die Straßen erwartete. Es
verschwanden mehrere Siedlungen, die Gemeinde Dolni
Vltavice und ein Teil von Frymburk.
Es wurden Zufahrtsstraßen und Wege auf den verschiedensten
Bodengattungen gebaut. Das ganze Vltava-Tal
bei Lipno
wurde eine große Arbeitsstelle und die vorher stillen Orte wurden
zur Unkenntlichkeit verändert.
Jahr 1952
Im Jahre 1952 begann man an einer geeigneten und schon früher
bestimmten Stelle nach einer gründlichen geologischen Untersuchung
mit dem Bau des Staudamms, dessen Aufgabe sollte das Stauen der
Wassermenge des ganzen Stausees und deren Freigabe nach dem Bedarf
des Kraftwerks sein. In der Längsachse des Staudamms wurden zwölf
Schächte in die Tiefe von zwanzig Meter bis zu der Stelle
ausgehöhlt, wo man auf einen festen Felsen stieß. Von dieser Tiefe
aus wurde die Felsensohle in weiteren zwanzig Metern durch die
Injektion von Zementmilch verfestigt, die unter hohem Druck so in
den Felsen hineingetrieben wurde, dass die Fundamente des ganzen
Baus völlig zuverläsig verfestigt wurden. Eine Vorstellung, um was
für einen Umfang der Arbeit sich in den angeführten Schächten
handelte, gibt die Angabe, dass aus jedem von ihnen 600 Kubikmeter
Erde, Steine und zerschossener Felsen weggefahren werden musste.
Gegen die Durchdringung von Wasser unter dem Körper des Staudamms
war es nötig eine mächtige Betonwand zu bauen. Ein Mittel dazu
wurden Caissons, was eine Anlage aus Stahlblättern in Form von
einer Riesenschachtel von sechzig Tonnen war. Die Caissoner
lockerten im Caisson Steine und Erde auf, die von hier ausgeführt
wurden, wobei der Caisson untergraben wurde, bis er sich in der
gewünschten Tiefe niedersetzte. Zum Schluss wurde die Arbeitskammer
des Caissons mit Beton vergossen. Der ausgefüllte Caisson wog 230
Tonnen.
Jahr 1954
Nach den Jahren der ersten Schwierigkeiten und Mängel setzte der
Bau im Jahre 1954 mit einem schnelleren Tempo fort, auch wenn es
sich nicht behaupten lässt, dass es damals wenigere Schwierigkeiten
gab. Der Plan wurde auch bei einer kleineren Zahl der Mitarbeiter
und beim hohen Wasserstand im Fluss erfüllt, der nach langen Regen
kam. Das Hochwasser verursachte jedoch keine größeren Schäden auf
dem Staudamm. Die Arbeiter befreiten den Bau des Damms rechtzeitig
von unerwünschtem Wasser dadurch, dass sie in es in das
Ausgleichsbecken in Vyšší
Brod führten, sodass während der Regenfälle auf der ganzen
Baustelle ein ganz normaler Betrieb war. Im Sommer desselben Jahres
wurde der Bau des Betonwerks beendet, das dann eine der
bestautomatisierten Anlagen dieser Art in der Republik war.
Intensiv wurde an der Durchbrechung von zwei Druckschächten gearbeitet, die einen Durchmesser von 4,5 Meter hatten und 180 Meter tief waren. Die Tunnelbauer, die sich tief unter der Erde von Vyšší Brod in Richtung zum Damm durchgruben, erreichten Mitte Juli 1954 die Länge der Grube von 1300 Meter. Auf dem schrägen Tunnel wurde damals die Tiefe von 41 Meter erreicht.
Jahr 1955
Nach den Jahren, die voll von Sorgen und Schinderei waren, kam der
erste bedeutende Erfolg: um halb drei nachts am 30. Dezember 1955
führten die Erbauer des Lipno-Stausees
die Vltava
in ein neues Flussbett über. Das Wasser verleiß sein altes
Flussbett und begann durch die Grundablässe des Betongewichtsblocks
zu fließen, den man im Herbst 1954 zu betonieren begann.
Jahr 1956
Kurz darauf, knapp vor Mitternacht vom 10. auf den 11. Januar 1956,
kamen die Tunnelhäuer zusammen, die in beiden Richtungen
gegeneinander schritten und so wurden beide Stollen von Vyšší
Brod sowie Lipno
zusammen verbunden. Die Arbeit der Techniker und Ingenieure war von
solcher Qualität, dass bei der Verbindung der Stollen auf dem mehr
als drei Kilometer langen Tunnel praktisch keine Abweichung
entstand. Mit dem Vortrieb des Tunnels wurde am 13. Mai 1952 in
Richtung von Vyšší Brod begonnen. Im Jahre 1954 betrug der Fortgang
2,72 m in 24 Stunden und 1955 bereits 3,74 Meter. Maximale
Tagesfortgänge erreichten Spitzenleistungen von 5,80 m. Im Jahre
1955 wurde mit dem Vortrieb eines Gegenstollens von Lipno aus
begonnen. Ursprünglich wurde auch hier der Felsen trocken
angebohrt, wobei die Arbeiter unter Granitstaub litten. Kurz darauf
wurde diese ungünstige Bohrweise durch das Bohren mit
Wasserausspülung ersetzt. Das Handladen von Stein und Erde
verschwand und wurde durch einen Auflader ersetzt. Es wurde mit dem
Abfeuern mit Zündschnuren aufgehört und mit dem elektrischen
Abfeuern angefangen.
Jahr 1957
Mitte Januar 1957 wurde das Ausbrechen des Kerns in der
unterirdischen Hydrozentrale eröffnet, nach dessen Beendigung die
Betonierung und eigentliche Montage von Turbinen an die Reihe
kamen. In den schwersten Arbeitsbedingungen wurden hier Tausende
von Kubikmetern Felsen gebrochen und ausgeführt. Der ausgehohlte
Raum wurde ausbetoniert und mit einigen Hunderten von Ankern
verfestigt, die die Möglichkeit einer unvorsehbaren Beschädigung
des Werks und Bedrohung von Menschenleben durch die Bewegung von
Schichten und Verschütten des Raumes des künftigen Kraftwerks
ausgeschlossen haben. Mit der Verankerung, die der Projektant
vorschrieb, hatte man beim Bau von Lipno
bisher keine Erfahrungen und es mussten mehrere Weisen geprüft
werden, wie den Beton ans Ende der schmalen langen Bohrung zu
bekommen. Bei der Prüfung war es nicht möglich die Anker aus dem
Felsen nicht einmal mit einer Zugkraft von 26 000 kg
auszuziehen.
Im Zusammenhang mit dem Bau des Wasserkraftwerks Lipno war es nötig an einer geeigneten Stelle einen kleineren, Lipno II. genannten Stausee zu bauen, in dem das beim Betrieb des Spitzenkraftwerks aus dem großen Stausee abgelassene Wasser aufgefangen würde. Das in diesem Ausgleichsbecken über Vyšší Brod aufgefangene Wasser kann dann gleichmäßig ins Flussbett abgelassen werden. Das Becken ist 1,5 km lang, etwa 200 Meter breit und um 10 m tief. Den Bau des Beckens hielten die Räumungsarbeiten nach dem Hochwasser im Sommer 1955 auf, als das Becken mit 800 Kubikmetern Sand und Schlamm überschwemmt. Anfang Oktober wurde die Betonierung des Gewichtsblocks des Beckens fertiggestellt und es wurden in ihn etwa 25000 Kubikmeter Beton gebracht. Dann wurde das Vltava-Tal durch einen Erddamm mit einem funktionsfähigen Gewichtsblock mit der Höhe des Schüttwehrs von 11,5 m über der Talsohle gesperrt und auf dem Ausgleichsbecken Lipno II wurde mit der Montage der ersten Lipnoer Turbine - Kaplanturbine. Das neue Kraftwerk am Ausgleichsbecken wurde im Frühling 1957 in Betrieb gesetzt und seine Jahresleistung ist 12 Millionen kWh.
Jahr 1958
Der Lipno-Damm war im Herbst 1957 praktisch fertig. Es wurde der
steinerne Teil fertig gemacht und man begann mit der Betonierung
von zwei Blöcken. Es war zu erwarten, dass schon die
Frühlingswässer im Jahre 1958 im Stausee aufgefangen werden können.
Der Erddamm in Lipno
ist über der Talsohle 28 m hoch und 282 m lang, mit einem
funktionsfähigen Betongewichtsblock geschlossen. Er enthält etwa
270 000 Kubikmeter verschiedene Erdgattungen, die alle direkt auf
der Baustelle gefördert wurden. In den Stoßzeiten wurden auf diesem
Abschnitt acht Bagger, drei Planierraupen, zwei Walzen, 50
Schnellkipper Tatra und einige leistungsfähige Dumpcars
eingesetzt.
Mit dem Anlassen des Lipno-Stausees wurde ab 1. März 1958 gerechnet. Es war eine der Schlussarbeiten auf dem Bau. Beschleunigt wurden die Objekte niedergerissen, die noch im Überschwemmungsgebiet standen. Die Brücken wurden demontiert. Es wurde bei Wind, Frost und Schneegestöber gearbeitet. Die Absicht, den Stausee langsam anzulassen, konnte jedoch wegen plötzlichem starkem Tauwetter realisiert werden. Das Wasser vom tauenden Schnee im Einzugsgebiet begann den Stausee schnell zu füllen.
Am 17. Februar erreichte der Wasserspiegel die Kote 715,15 m und es wurden 12,5 Millionen Kubikmeter Wasser aufgehalten. Der Wasserspiegel stieg ständig an. Die Auslässe des Gewichtsblocks wurden geöffnet, damit das Wasser fällt, und dadurch der Damm allmählich mit Wasser beschwert wird. Obwohl die meisten Vorbereitungsarbeiten rechtzeitig gemacht wurden, überraschte das Hochwasser die Erbauer einigermaßen. In Frymburk war die Verbindung zwischen den beiden Ufern bereits unterbrochen, weil die Anrampung der Brücke vom rechten Ufer schon unter Wasser war. Damit es zu keiner Beschädigung der Brücke vom Eis kommt, war es nötig in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar das Eis zu sprengen. Und so hatten die Arbeiter am Wasserwerk Lipno am 17. Februar 1958 zum ersten Mal die Möglichkeit zu sehen, wie das "Böhmerwalder Meer" mal wohl aussehen wird. Am 20. Februar stieg der Wasserspiegel auf die Kote 716.35 m an. Das Wasser wurde nur in der notwendigen Menge für den Bedarf der Energetik auf dem Unterlauf der Vltava abgelassen. Als endlich aller Schnee im Einzugsgebiet von Lipna zerging, erreichte das Wasser im Stausee die Kote 717,40 m. Der Inhalt des Stausees betrug einige -zig Millionen Kubikmeter. Weit ergossene Wässer zwischen den waldreichen Bergabhängen machten den Eindruck, als ob hier der See seit alten Zeiten wäre. Entlang der Ufer erschienen viele zum Baden geeignete Orte. Und in dieser Weile kam die erste Saison am Lipno-Stausee. Der Lipno-Stausee begann zu einem Erholungsgebiet zu werden.
Anfang August 1958 wurde der Block Nummer 2 zur Montage übergeben und man begann mit der Montage der ersten Turbine. Die Monteure des Nationalbetriebs Elektrostroj aus Brno beförderten am 1. September mit dem schrägen Lastaufzug den ersten Teil der Francis-Turbine unter die Erdoberfläche. Der Körper wog dreißig Tonnen. Am 24. Oktober legten die Betonbauer in der unterirdischen Hydrozentrale den letzten von 15 000 Kubikmetern Beton in die Konstruktion der Decke am Block Nummer eins.
Jahr 1959
Endlich kam der erste von zwei Tagen, mit denen der Bau des
Lipno-Stausees
abgeschlossen wurde: am 15. Juli 1959 um 17.55 Uhr wurde die erste
Probe des energetischen System durchgeführt. Die Schaufeln der
ersten Turbine begannen sich zum ersten Mal zu drehen und der
Turbomaschinensatz begann ins Netz die ersten Kilowatt Strom zu
liefern. Das Wasser vom Lipno-Stausee floss durch den Abfalltunnel
außerhalb von seinem Flussbett. Es blieb noch den zweiten
Maschinensatz in Betrieb zu setzen. Am 7. Dezember 1959 begann er
gleich zuverlässig wie die erste Turbine Strom zu liefern.
Weitere Informationen:
Wasserkraftwerk
Lipno
Das
Elektrizitätswerk in Vyšší Brod
Lipno nad
Vltavou
Der
Lipno Stausee
Der Bau
des Lipno-Stausees